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IT-Branche drängt auf Bildungsreform

Foto: progresivno.org
Flexibles und innovatives Denken, die Anwendung von Erfahrung und Wissen auf neue Situationen, Phantasie, verantwortliches Risiko, Führerqualitäten, Teamarbeit, Experimentierfreudigkeit und Innovationsbereitschaft. Das sind einige der Fähigkeiten, die die Schüler in Bulgarien entwickeln müssen, um erfolgreich zu sein, lautet die Meinung von IT-Experten. Sie weisen jedoch darauf hin, dass das gegenwärtige Bildungssystem solche Hinweise ignoriere und sich weiterhin nur auf die Wissensvermittlung konzentriere. Eine Bildungsreform sei mehr als erforderlich, angefangen bei der Vorschule bis zur Hochschule.

Die IT-Branche beklagt sich zunehmend über das Fehlen von Nachwuchs. Jährlich werden neue 6.000 Fachleute benötigt – die Hochschulen verlassen jedoch nur rund 2.000, was das Wachstum der Firmen hemmt. Javor Johnew, Gründer einer der größten IT-Firmen in Bulgarien gibt zudem zu bedenken: "Wir müssen sie außerdem 2 bis 3 Jahre zusätzlich ausbilden, damit sie bei uns effektiv arbeiten können. Unsere Industrie ist exportorientiert und wir müssen so gut sein, wie die besten weltweit."

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"Wir entwickeln uns gegenwärtig viel schneller als die nationale Wirtschaft", meint Johnew weiter. "Als Industrie wachsen wir mit 10-15 % jährlich. Beim gegenwärtigen Tempo kann der Anteil der Softwareindustrie in zehn Jahren eine Milliarde Euro oder 2 % des Bruttoinlandsproduktes erwirtschaften. Falls wir jedoch jetzt schon eine geeignete Bildungsreform einleiten, könnten wir in der gleichen Zeitspanne doppelt so viel erreichen. D.h., wir würden uns mit dem Umsatz des Fremdenverkehrs messen können, der eine bedeutende Rolle in der Struktur unserer Volkswirtschaft spielt. Dieses Wachstum können wir aber mit zehn mal weniger Menschen erreichen, als die Tourismusbranche. Das bedeutet, dass der Mehrwert unserer Industrie um ein mehrfaches höher ist. Das ist ein überzeugender wirtschaftlicher Grund für ernste Investitionen und Änderungen in der Bildung. Das Durchschnittsgehalt im IT-Sektor liegt bei 1.250 Euro im Monat. Es gibt keine andere Branche in Bulgarien, die sich damit messen kann. Die jungen Menschen haben außerdem die Möglichkeit, sich hier in Bulgarien auf Weltniveau zu verwirklichen. Das ist ein triftiger Grund für die jungen Menschen, nicht im Ausland nach Entwicklungsmöglichkeiten zu suchen."

Javor Johnew arbeitet in mehreren nichtstaatlichen Organisationen, die sich mit der Bildung in Bulgarien beschäftigen. Er leitet auch die sogenannte „Bildungs-Arbeitsgruppe“, die an den "Strategischen Anforderungen der Software-Industrie an die Reform des Bildungssystems" arbeitet. In dieser Strategie wird die Einführung des Kompetenzprinzips gefordert. Was verbirgt sich dahinter?

"Das traditionelle Bildungssystem konzentriert sich auf die Aneignung von Wissen und bestimmten Fertigkeiten, die in Prüfungen unter Beweis gestellt werden", erläutert Javor Johnew. "Die guten Prüfungsergebnisse sollen Wissen und Können für ein ganzes Leben garantieren. Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass das nicht ganz stimmt. Sehr oft vergisst man nach einer Prüfung das meiste, was man gelernt hat. Das Kompetenzprinzip ergänzt dieses Bild. Das Ziel des Bildungssystems muss unserer Ansicht nach nicht nur Wissen und Können vermitteln, sondern auch Werte, Einstellungen und Gewohnheiten. Sie und nicht die Prüfungen bilden die Persönlichkeit."

Die Aneignung von Eigenschaften, wie Humor, Ironie, Schöpferkraft und Innovationsbestreben muss bereits im frühen Kindesalter beginnen. Das ist nicht nur eine Voraussetzung für ihren späteren Erfolg, sondern auch für den ihrer Kinder, denn dieses Erziehungsmodell wird weitergegeben, ist Johnew überzeugt.

"Damit unsere Industrie weltweit konkurrenzfähig sein kann, müssen unsere Leute viel Schöpfgeist und Eingebungskraft besitzen. Wir sind der Ansicht, dass sich das Bildungssystem auf die Anerziehung von solchen Fähigkeiten und Kompetenzen konzentrieren muss, die den Kindern und künftigen Fachleuten ein flexibleres Denken ermöglicht. Was wird in Bulgarien in 20 Jahren geschehen, welche Berufe werden dann nachgefragt sein? Das können wir heute nicht sagen. Die Menschen des 21. Jahrhunderts werden aller Wahrscheinlichkeit nach ihren Beruf mindestens drei Mal wechseln müssen. Was bedeutet das? Die Kinder von heute müssen entsprechend darauf vorbereitet werden. Sie müssen später in der Lage sein, diese Wandlungen zu verkraften.“

Adäquate Finanzierung der Schulbildung und die Erstellung eines operativen Programms "Bildung und Innovationen" für den Zeitraum 2014-2020 wird von der IT-Branche gefordert, um der Bildungsreform zu Erfolg zu verhelfen.

"Die Bildungsreform muss zur nationalen Priorität erklärt werden“, fordert Javor Johnew. "Bulgarien muss den Mehrwert der Wirtschaft erhöhen, um aufzuholen und den Lebensstandard der Bürger zu heben. Die einzelnen sozialen Schichten werden ansonsten weiter auseinanderdriften. Das ist eine gesellschaftliche Bombe – eines Tages werden sich die Spannungen, die sich mit der Zeit ansammeln, entladen. Parlament, Ministerien, Unternehmen und Bürgerorganisationen müssen sich jetzt schon in Form eines nationalen Rates an einem Runden Tisch vereinen und die Prioritäten abstecken, die politisch bindend sein müssen, sie es durch Gesetz oder andere politische Maßnamen. Dieser Nationalrat muss ferner auch den Haushalt und die Mittel für deren Erfüllung bestimmen und diesen Prozess auf einer breiten Grundlage kontrollieren."

Im Rahmen von zwei Parlamentsmandaten oder 8 Jahren könnte eine wesentliche Änderung in der Bildung in Bulgarien erreicht werden, ist Javor Johnew überzeugt. Um so mehr als es in Bulgarien bereits gute Praktiken wie z.B. die „Telerik-Akademie“ für Software-Ingenieure und das innovative Programm für Mathematikunterricht „Jump Math“ gibt. Ein weiteres positives Beispiel ist die nichtstaatliche Organisation "Zusammen im Unterricht", die erfolgreiche modern denkende junge Menschen für den Lehrerberuf gewinnen möchte. Das langfristige Ziel ist, jedem Kind in Bulgarien Zugang zu einer angemessenen Bildung zu ermöglichen.

Übersetzung: Vladimir Daskalov
Redaktion: Wladimir Wladimirow
По публикацията работи: Rumjana Zwetkowa


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