Die sozialwirtschaftliche Entwicklung Bulgariens seit der Wende hat die Polarisierung in der bulgarischen Gesellschaft drastisch beschleunigt. Der Lebensstandard des überwiegenden Teils der Bulgaren ist seitdem kontinuierlich gesunken. Entsprechend groß ist auch das Interesse an Erforschung und Untersuchung dieses Prozesses. In dieser Woche wurde so eine Studie des Instituts für Wirtschaft und internationale Beziehungen in Sofia vorgestellt.
Das Modell der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes seit dem wirtschaftlichen Tiefpunkt von 1997 hat sich erschöpft, behaupten die Experten in ihrer Studie. Bulgarien befände sich bereits in einer neuen Situation, wenn die jahrelange Wirtschafts- und Finanzkrise nicht überwunden werden kann, behaupten sie. „Die These, dass die großen sozialen Unterschiede zwischen Armen und Reichen die wirtschaftliche Entwicklung stimulieren, gilt in Bulgarien nicht“, sagt prof. Gantscho Gantschew, Leiter des wissenschaftlichen Teams. Für Bulgarien trifft nur der erste Teil dieser Behauptung zu – der soziale Graben zwischen arm und reich ist in Bulgarien europaweit wohl am tiefsten. Privathaushalte mit weniger als 125 Euro monatlich gelten in Bulgarien als arm. So die Betrachtung der Regierung. Dem gegenüber steht die Ansicht der Bürger, die kontern, mit 400 Euro monatlich ist ein normales Leben in einer vierköpfigen Familie ausgeschlossen. Von den Rentnern, deren Rente teilweise 50 Euro beträgt, ganz zu schweigen. Die vorgestellte Studie belegt, dass die Rentner, die Roma und die Menschen mit niedriger oder keiner fachlicher Ausbildung am ärmsten sind. „Die niedrigen Einkommen, die hohe und die Langzeitarbeitslosigkeit beeinflussen die Wirtschaft des Landes sehr negativ“, sagte die stellvertretende Arbeits- und Sozialministerin Spaska Petrowa bei der Präsentation der Studie.
„Die Studie zeigt, dass alle bisherigen Maßnahmen gegen die Armut in Bulgarien nicht greifen“, sagt Spaska Petrowa. „Die Weltwirtschaftskrise hat uns sehr hart getroffen und die bulgarische Wirtschaft kann sich immer noch nicht erholen. Das Armutsrisiko in Bulgarien liegt deutlich über dem EU-Durchschnitt“, stellt Spaska Petrowa fest.
Die Armut hat in Bulgarien auch einen regionalen Aspekt. Es ist allgemein bekannt, dass der bulgarische Nordwesten die ärmste Region in der gesamten Europäischen Union ist. Im Gegensatz dazu ist der Südwesten Bulgariens eine der Regionen im Lande, wo die Wirtschaftsleistung überdurchschnittlich hoch ist. Der Grund dafür ist in erster Linie die Tourismusbranche. Doch, auch da breiten sich dichte Wolken aus, warnt Dr. Preslaw Dimitrow von der Universität in Blagoewgrad.
„Selbst ein winziger Rückgang der Wirtschaftsleistung schlägt sich im Tourismus nieder, denn die Touristen und somit auch die Einnahmen bleiben aus“, sagt Dr. Dimitrow. „Bezeichnend dafür sind auch die niedrigen Löhne und Gehälter in diesem Sektor. Diese Tendenz wird noch lange Jahre bleiben, so dass selbst die boomende Tourismusbranche nach wie vor arme Beschäftigte haben wird“, meint Dr. Preslaw Dimitrow.
Übersetzung: Vessela Vladkova
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