Bulgarien war in der Vergangenheit mit seinem schmackhaften Obst berühmt. In den letzten Jahren sind jedoch aus verschiedenen Gründen viele Obstplantagen geradezu verkommen. Etliche alte Sorten sind vom Verschwinden bedroht. In diesem Monat wird die jüngste Kampagne zur Rettung angestammter Sorten und der Wiederbelebung einstiger Obstanbauregionen durchgeführt.
Die Initiative nennt sich „Kulinarische Geheimnisse der Natur 3“ und wird vom WWF Bulgarien, dem Klub der „Freunde des Wratza-Balkans“ und einer Restaurant-Kette organisiert, die traditionelle Gerichte aus der Region der nordwestbulgarischen Stadt Wratza ins Menü aufnehmen wird. Im Mittelpunkt stehen einige bulgarische Apfelsorten, die mittlerweile fast gänzlich vom Markt verschwunden sind.
„Wenn man in irgendein Obst- und Gemüse-Geschäft geht und Äpfel kauft, fragt man selten woher sie stammen“, erzählt Rajna Popowa vom WWF Bulgarien. „In den meisten Fällen stammen sie nicht aus unserem Land. Die altbekannten Sorten sind nicht im Angebot – man kann sie nur noch in einigen privaten Gärten aus Großmutters Zeiten sehen. Aus diesem Grund haben wir uns zu dieser Initiative entscheiden, um auf das Problem aufmerksam zu machen. Wir sind bestrebt, die Artenvielfalt zu bewahren. Wenn nämlich die alten Bäume aus den Gärten verschwunden sind, verlieren wir auch diese Sorten für immer. Daher wollen wir sie als erstes popularisieren. Jeder kann zu ihrem Erhalt beitragen. Es ist nicht erforderlich, ein Landwirt zu sein, um sich einen Obstgarten anzulegen. Initiativen dieser Art sind immer erwünscht – es reicht, wenn man ein Bäumchen einer der alten Sorten im Hof oder dem eigenen Garten anpflanzt.“
Die gemeinsame Initiative sieht die künftige Einrichtung eines Obstgartens auf dem Territorium des Naturparks von Wratza vor. Es wird eine Musteranlage sein, die von Freiwilligen betrieben wird, in der einerseits alte Sorten angebaut und damit bewahrt und andererseits Interessierte nähere Informationen und Hilfe bekommen werden. Vom WWF Bulgarien erhofft man sich, dass diese Anlage den Grundstein für eine Genbank bilden wird. Warum ist es wichtig, örtliche Obstsorten zu bevorzugen, fragten wir Rajna Popowa.
„Wir leben mit den unterschiedlichen Arten um uns herum unter den gleichen Bedingungen, was uns automatisch einer für den anderen geeignet macht – sie passen am besten zu uns und unser Immunsystem“, sagt die WWF-Vertreterin. „Es geht nicht nur darum, durch den Konsum örtlicher Produkte die heimischen Produzenten zu unterstützen. Es ist auch für uns selbst von Bedeutung. Mit unserer Initiative wollen wir möglichst viele Menschen erreichen. Der Verbraucher diktiert bekanntlich die Regeln. Immer mehr Menschen werden sich bewusst, dass die gute Qualität nicht immer mit einem schönen Äußeren identisch ist. Auch kostet die Qualität mehr. Die Äpfel sollen nicht wie gemalt aussehen, sondern auch schmecken und gesund sein.“
Der gleichen Meinung ist auch der Lehrer Georgi Iwanow, der ein Hobbygärtner ist. Im Dorf Dragowischtitza in Westbulgarien zieht er weniger bekannte Apfel- und Kirschen-Sorten. Er ist mit Herz und Seele dabei, muss aber zugeben, dass die bulgarischen Obstbauern große Probleme haben.
„In den letzten Jahren ist weniger Geschmacksqualität gefragt“, klagt er. „Die Leute, die Kirschen aufkaufen, wollen große haben – mit einem Durchmesser von mindestens 25 Millimetern. Gemessen wird mit einer Schablone. Die alten Kirschen aus Kjustendil, die ausgesprochen schmackhaft sind, werden weniger als früher gekauft. Am Besten sollte eine Konservenfabrik aufgemacht werden, die das Obst aufkauft und verarbeitet. Im vergangenen Jahr haben die Obstbauern jeweils eine bis anderthalb Tonnen Kirschen gepflückt – die Aufkaufstellen haben sie aber nicht genommen. Die Kirschen wurden schlecht, denn es sind keine Äpfel oder Nüsse, die man lagern kann. Die Zwischenhändler machen was sie wollen. Eine Lösung des Problems ist meiner Ansicht nach in einer besseren Werbung für unsere Produktion zu suchen. Es muss einerseits Konkurrenz geben, also mehrere Aufkäufer. Wir können andererseits nur schwer mit den südlichen Nachbarländern mithalten, denn dort reift das Obst aus rein klimatischen Bedingungen früher als bei uns. Außerdem wird der Obstanbau dort besser staatlich gestützt.“
Übersetzung: Wladimir Wladimirow
Fotos: Luisa Lazarova und wwf.bg
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