Die Verbraucherpreise in Bulgarien sind im Durchschnitt um 56 Prozent niedriger als in den übrigen Ländern der Europäischen Union. Diese Feststellung des Statistischen Amts der Europäischen Union Eurostat rückt Bulgarien als Billigland an die Tabellenspitze. Gefolgt wird es von Rumänien und Polen. Angesichts der Tatsache, dass die Preise halb so groß sind, müssten die Bulgaren theoretisch gesehen zu den glücklichsten Menschen zählen und mit den höchsten Konsum verzeichnen. In Wirklichkeit stehen die Dinge jedoch anders.
Die Preise mögen niedrig sein, die Einkommen sind es aber noch mehr! Experten gehen davon aus, dass die Gehälter und Renten in Bulgarien 5 bis 7 Mal niedriger liegen, als im restlichen Europa. Einige Beispiele: Der Mindestlohn in Bulgarien beträgt 261 Euro; in Frankreich sind es 1.498,50 Euro. Das Durchschnittsgehalt in Bulgarien liegt bei umgerechnet 550 Euro; in Dänemark sind es 2.575,68 Euro. Die Mindestrente in Belgien beläuft sich auf 1.221 Euro, während in Bulgarien die niedrigste Rente 102 Euro beträgt.
Damit das Bild des bulgarischen „Wohlergehens“ noch schärfer wird, muss man sich vor Augen führen, was für eine Kaufkraft diese Einkommen aufbringen können. Hier stehen die Dinge laut einer Reihe von Analysen und Expertenmeinungen nicht gar so schlecht: die Kaufkraft der Bulgarien würde um die 60 Prozent des Durchschnitts der entwickelten Industrieländer liegen. Es muss hinzugefügt werden, dass diese Kaufkraft gemessen an den Realeinkommen der Bevölkerung in den vergangenen Jahren stetig wächst – um die 7 bis 10 Prozent jährlich. Und dennoch sind sich die Wirtschaftsexperten einig, dass dieses Wachstumstempo in keiner Weise ausreiche, in naher Zukunft die Länder Mittel- und Westuropas einzuholen. Das könnte sich als ein Hindernis vor dem Wunsch Sofias erweisen, dem „Klub der Reichen“, sprich Eurozone, beizutreten, in der der Lebensstandard bei weiten höher liegt, als in Bulgarien.
Als billigstes Land Europas, ist Bulgarien ein Verbraucherparadies für jene, die sich beispielsweise Schuhe oder Möbel kaufen wollen, oder den Transport sowie die Bildungsmöglichkeiten nutzen, oder Urlaub machen möchten. Anders stehen jedoch die Dinge bei den Nahrungsmitteln und den alkoholfreien Getränken. In Rumänien und Polen sind diese billiger.
Die Kaufkraft des Geldes hängt von der Entwertung der Währung, also von der Inflation ab. Diese wiederum wird von einer Reihe von Faktoren bedingt, wie beispielsweise die Nachfrage. Umso gefragter eine Ware ist, desto stärker erliegen Hersteller und Vertreiber der Versuchung, ihren Preis anzuheben. Diese Erscheinung wird in Bulgarien deutlich, wo nach fast drei Jahren Deflation in der letzten Zeit Inflationsprozesse registriert werden, die jährliche 2 Prozent übersteigen. Diese Verteuerung ist für die gesamte bulgarische Wirtschaft wichtig, weil der Anstieg des Bruttoinlandsprodukts in den letzten Jahren vor allem auf den Verbrauch beruht, der angesichts einer bedeutenderen Inflation ins Stocken geraten kann, die die Verbraucher abschrecken könnte.
Im Endeffekt ist Bulgarien trotz aller geäußerten Vorbehalte das billigste Land in der Europäischen Union. Es ist nicht nur das billigste, sondern wegen der niedrigen Kaufkraft der Bevölkerung auch das ärmste Land. Die Bulgaren kommen trotz der augenscheinlich niedrigen Preise nur schwer über die Runden, denn sie sind gemessen an den Einkommen der Bevölkerung keinesfalls niedrig. Nur wenige Bulgaren können solche Einkommen vorweisen, die den europäischen Standards nahe kommen und die sich mehr als die alltäglichen und lebensnotwendigen Ausgaben leisten können. Dennoch geben die Bulgaren nicht auf. Das Gros arbeitet intensiv. Viele Menschen haben gleich mehrere Jobs, während die unternehmungslustigsten Bulgaren auswandern, um im Ausland nach besseren Lebensbedingungen für sich und ihre Nächsten zu suchen. Mit dem im Ausland verdienten Geld kann man in Bulgarien tatsächlich gut leben. Billig ist es auch für die ausländischen Touristen, die in Scharen die heimischen Urlauberzentren füllen.
In der Wirtschaft geschehen keine Wunder an nur einem Tag; die Prozesse erfordern Zeit und entsprechende Bedingungen. In diesem Sinne befindet sich Bulgarien auf dem rechten Weg, denn sowohl der Staat, als auch seine einzelnen Bürger passen auf, wie sie ihr Geld ausgeben und worin sie es investieren, um das Maximale aus dem schwer verdienten Geld herauszuschlagen.
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
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