Die bulgarische Wirtschaft entwickelt sich im Ganzen gut, wird aber, trotz des Wachstums beim Export, Binnenkonsum und Investitionen, vom Arbeitskräftemangel erdrückt.
2018 fiel das Bruttoinlandsprodukt (BIP) von den einstigen 3,6% auf 3,1%. Laut Prognosen des Internationalen Währungsfonds und der Agentur Fitch Ratings wird für dieses Jahr ein Wachstum von 3,3% erwartet. Im Vergleich zum Wachstumstempo in anderen mittel- und osteuropäischen Staaten, in denen 6-7% Wirtschaftswachstum als normal angesehen werden, bleibt Bulgarien spürbar zurück und der Grund ist der Arbeitskräftemangel.
Bulgarien ist eigentlich keine Ausnahme. Mit dem gleichen Problem kämpfen alle europäischen Staaten und trotzdem gibt es Besonderheiten. Die erste davon ist die Arbeitslosigkeit. Wenn es an Arbeitskräften mangelt, darf die Arbeitslosenrate nicht groß sein, besagt die Logik und tatsächlich beträgt sie in Bulgarien 6,2%, was als normal angesehen wird. Die Besonderheit in Bulgarien ist aber, dass die Arbeitslosen deshalb keine Arbeit haben, weil sie kein Arbeitgeber einstellen will. Der Grund – sie haben weder eine Qualifikation noch jedwede professionelle Fähigkeiten. In diesem Sinne ist es sogar schwer, sie als Arbeitskräfte zu bezeichnen. Zu dieser Gruppe von Arbeitslosen gesellen sich in den letzten Jahren auch immer mehr junge Menschen. Angaben des Nationalen Statistikamts zufolge leben 18% von ihnen im Alter zwischen 15 und 29 Jahren von den Sozialhilfen oder Einkommen ihrer Eltern. Sie lernen nicht, suchen auch keine Arbeit.
Bei einer Bevölkerung von knapp 7 Millionen sind 3.240.000 Bulgaren im arbeitsfähigen Alter. Der Assoziation des Industriekapitals in Bulgarien zufolge fehlen der Wirtschaft 500.000 Arbeiter und Angestellte. Die Arbeitgeber sind aktiv auf der Suche nach Arbeitskräften sowohl auf dem bulgarischen Arbeitsmarkt als auch im Ausland. Als eine potentielle Möglichkeit werden die bereits pensionierten Arbeiter betrachtet. Bulgarische Unternehmen drängen den Staat, den Zugang zum bulgarischen Arbeitsmarkt für Ausländer zu erleichtern. Visiert wird vor allem der Fremdenverkehr. Im vergangenen Jahr wurden erste zaghafte Versuche unternommen. Mehrere Tausend junge Ukrainer, Weißrussen und Moldauer wurden von Hotels an der bulgarischen Schwarzmeerküste angeheuert. Doch diese Lösung ist unsicher. Bulgarien gehört zu den ärmsten Ländern innerhalb der EU und die Bezahlung der Arbeitskräfte ist folglich sehr niedrig und kann nicht im Verhältnis zur Konkurrenz in den Nachbarstaaten Griechenland oder der Türkei stehen.
Das bulgarische Kabinett sieht einen Ausweg in der Rückkehr zumindest eines Teils der 1,5 Millionen emigrierten Bulgaren. Für eine bessere Lösung wird daher angesehen, wenn diese Bulgaren mit ihrer Auslandserfahrung in die Heimat zurückkehren. Eine, wenn auch zaghafte, Tendenz der Rückkehr ist bereits zu beobachten und das Kabinett erwägt Maßnahmen, sie zu fördern. Doch zu glauben, dass der Arbeitskräftemangel durch die Rückkehrer der Auslandsbulgaren überwunden werden kann, ist eine Illusion. Vielversprechend in dieser Hinsicht sind die Pensionisten. Der Vorteil bei ihnen ist, dass sie über die nötige Erfahrung und Qualifikation verfügen. Die meisten Rentner bekommen in Bulgarien miserable Renten und brauchen dringend zusätzliche Einkünfte, um über die Runden zu kommen. Prinzipiell ist nichts dagegen einzuwenden, auch nach den Pensionierung im gleichen Beruf weiterzuarbeiten. Dieses Schicksal teilen schon 146 000 Bulgaren, die neben ihrer Rente auch Arbeitsgehälter beziehen. Doch die Medaille hat auch eine Kehrseite, weil diese Tendenz zu einer gefährlichen Alterung der Arbeitskräfte führt und je älter diese sind, desto schlechter können sie mit den neuen Technologien und Innovationen umgehen mit allen daraus erwachsenden Problemen.
Eine schnelle und dauerhafte Lösung der Probleme mit dem Arbeitskräftemangel in Bulgarien zeichnet sich nicht ab. Selbst Arbeitsminister Bisser Petkow gab zu, dass sich das Problem weiter vertiefen wird. Prognosen besagen, dass es im Jahr 2032 um 3,4% weniger Arbeitnehmer geben wird im Vergleich zu heute. Die Assoziation des Industriekapitals behauptet, dass jetzt schon anstelle von 100 Personen, die in Rente gehen, nur 63 nachrücken.
Übersetzung: Georgetta Janewa
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