Noble alte Häuser von Industriellen, Bankiers, Politikern und Intellektuellen – insgesamt 660 an der Zahl, stehen im Mittelpunkt zweier Bildbände von Mariana Melnischka – „Die Häuser erzählen“ und „Die Häuser erzählen noch“. Die Autorin lädt zu einer Zeitreise ein, bei der man in die Welt reicher bulgarischer Bürgerhäuser von vor rund 100 Jahren gelangt.
Die Architektur-Perlen sind im ganzen Land verstreut und man kann sie unmöglich alle in einem Internet-Beitrag gebührend vorstellen. Aus diesem Grund haben wir zwei von ihnen ausgesucht, denen wir uns im Folgenden näher widmen wollen. Sie haben bis heute ihren alten Glanz bewahrt und das das dank ihrer Eigentümer. Beide Häuser gehören zum Architekturbild des Zentrum Sofias:
„Das Haus in der Khan-Krum-Straße 31 wurde vom Bankier Marko Rjaskow errichtet. Es ist ein Jugendstil-Bau, dessen Fassaden sich in einem sehr guten Zustand befinden. Leider kann es nicht besichtigt werden. Das Besondere an dem Gebäude ist der halbrunde Erker im ersten Stockwerk, über dem sich eine kleine Terrasse befindet. Unter den Fenstersimsen sind zurückhaltende Ornamente zu sehen. Das ist ein sehr charakteristisches Detail für die Gebäude der 20er und 30er Jahre in Bulgarien, die noch den Geist des Jugendstils atmen“, erzählt uns Mariana Melnischka.
„Marko Rjaskow war ein glänzender Finanzier, der 1935 zum Präsidenten der Nationalbank ernannt, danach Finanzminister war und sich auch an der Aktion zur Rettung der bulgarischen Juden beteiligte.“
Nach dem Machtantritt der Kommunisten in Bulgarien im Jahre 1944 wurde Marko Rjaskow mehrmals festgenommen und wieder freigelassen; schließlich wurden er und seine Familie in die Kleinstadt Sewliewo verbannt. In sein Haus in Sofia zog der Innenminister ein und danach auch der Ministerpräsident Anton Jugow. So blieb das Haus erhalten und wurde nicht abgerissen, was mit etlichen anderen Bürgerhäusern geschah.
Das nächste Haus mit einer wechselvollen Geschichte befindet sich am zentralen Witoscha-Boulevard, an dem gleich mehrere farbenfrohe Häuser im Jugendstil stehen. Eines zieht die Blick besonders auf sich, nicht nur weil es in einem angenehmen Gelb-Grün gestrichen ist. Es wurde von den heute in Vergessenheit geratenen Herstellern und Händlern von Lederwaren Angel Ratschew und Banko Radew gebaut. Sie stammen aus Gabrowo, wo sie als Gehilfen in einer Lederfabrik angefangen haben, dank ihres Unternehmergeistes jedoch bald selbständig und reich wurden. Das Haus befindet sich heute in einem tadellosen Zustand. Es ist nicht imposant, beeindruckt aber mit der effektvollen Gestaltung der relativ großen Fenster.
„Im 1911 errichteten Haus befand sich im Erdgeschoss die einst berühmte Kneipe „Der Kosake“, die ein Treffpunkt für die Bohème Sofias war. Dort saß mit Freunden u.a. der weltweit anerkannte russische Opernsänger Fjodor Schaljapin; hier verkehrte ferner die bulgarische Operndiva Elena Nikolai. Unter den Stammgästen waren auch der Maler Detschko Usunow und der Schauspieler Konstantin Kissimow. Die Nachkriegszeit vertrieb den freiheitsliebenden Geist aus der Gaststätte, ohne den sie jedoch unweigerlich einging. Das Haus wurde vom neuen Regime in ein Miethaus verwandelt, wobei den einstigen Eigentümern ein einziges Zimmer überlassen wurde. In die anderen zogen Zuzügler aus der Provinz, die der neuen Macht hörig waren.“
Diese und viele andere interessante Geschichten erzählt Mariana Melnischka in ihren zwei Büchern, die jüngst eine Neuauflage erlebten.
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
Fotos: Archiv
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