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Gefährdet bulgarisch-mazedonischer Geschichtsstreit europäische Integration Nordmazedoniens?

Gotze Deltschews Denkmal im Boris-Garten in Sofia
Foto: BGNES

Die Bewertung der Fortschritte Nordmazedoniens auf seinem Weg in die Europäische Union soll von der Umsetzung des Nachbarschaftsvertrages anhängig gemacht werden, der 2017 mit Bulgarien unterzeichnet worden war. Das fordert ein Memorandum, in dem auch weitere Bedingungen für die bulgarische Unterstützung der europäischen Integration Nordmazedoniens gestellt werden.

Das Dokument sorgte für verschiedene Kommentare in Skopje und Unzufriedenheit unter den Mitgliedern und Sympathisanten der oppositionellen VMRO-DPMNE (Innere Mazedonische Revolutionäre Organisation – Demokratische Partei für Mazedonische Nationale Einheit).

In dem Memorandum heißt es u.a., Sofia bestehe darauf, dass in den offiziellen europäischen Dokumenten von „offizieller Sprache der Republik Nordmazedonien“ gesprochen wird und nicht von mazedonischer Sprache. Auch wird von Nordmazedonien verlangt, nicht auf eine Anerkennung einer sogenannten „mazedonischen Minderheit“ in Bulgarien zu bestehen. Ferner sei die Blockierung der Arbeit der gemeinsamen Geschichtskommission unannehmbar, die seit bereits 10 Monaten zu keiner Sitzung zusammengekommen ist. Eine der grundlegenden strittigen Fragen, die letztendlich die Arbeit dieser Kommission stoppte, dreht sich um den Revolutionär Gotze Deltschew (1872-1903). Diese Kontroversen wurden auch zum Stein des Anstoßes für die Protestaktionen der VMRO-DPMNE.

Streit um Gotze Deltschew

In einem Interview für Radio Bulgarien betonte Dr. Georgi Georgiew vom Geschichtsinstitut der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften und Mitglied des Mazedonischen Wissenschaftsinstituts, dass Gotze Deltschew eine bedeutende Persönlichkeit der bulgarischen Geschichte ist und einer der Hauptfunktionäre der Befreiungsbewegung der Bulgaren in Mazedonien und Südostthrakien war.

„Gotze Deltschew wurde in eines der grundlegenden Mythen der makedonistischen politischen Ideologie verwandelt. Für die Makedonisten ist es sehr wichtig, dass er in ihren Erzählungen und Erklärungen zur Geschichte präsent ist. Bedingung ist, dass Deltschew keinesfalls mit der bulgarischen Nation in Verbindung gebracht werden darf und er als Bulgare bezeichnet wird. Die historischen Dokumente lassen jedoch keine Zweifel. Mehr noch! Er gehört zu jenen Persönlichkeiten, die am besten dokumentiert sind. Es gibt nicht nur bulgarische, sondern auch sehr viele ausländische Quellen – englische, französische, türkische, griechische… In allen wird Gotze Deltschew als „Bulgare“, „bulgarischer Apostel“ und „bulgarischer Woiwode“ bezeichnet. Es gibt auch etliche persönliche Aussagen von ihm, in denen er sich als Bulgare bekennt.“

Welche Argumente bringt die Gegenseite vor? Wie wird die „mazedonische“ Identität des Revolutionärs begründet?

Laut Dr. Georgi Georgiew gibt es „sprichwörtlich überhaupt keine Argumente“. Die Frage ist jedoch entscheidend - „wegen ihrer politischen und nicht wegen ihrer wissenschaftlichen Schärfe“. Obwohl sich Dr. Georgiew einer Prognose enthält, stuft er sich als „gemäßigten Pessimisten“ ein, was die weitere Arbeit der gemeinsamen Geschichtskommission beider Länder anbelangt.

„Jede solche Kommission hat eine Daseinsberechtigung, vor allem weil sie den Dialog fördert. Sie wird erst dann überflüssig, wenn dieser Dialog in die Sackgasse gerät. Gotze Deltschew erwies sich als erster Stolperstein. Der Weg könnte wieder geebnet werden, wenn Skopje auf irgendeiner Weise zur historischen Wahrheit findet und anerkennt, dass es sich um einen bulgarischen Helden und Anführer der bulgarischen Befreiungsbewegung handelt. Was kann Gotze Deltschew dafür, dass er sich als Bulgare bestimmt hat, was den heutigen Führungspolitikern und Historikern in Nordmazedonien missfällt. Man kann nicht umhin - es ist eine geschichtliche Tatsache, die weder wir noch die Mazedonier leugnen können. Die Menschen vor 100 Jahren haben sich als Bulgaren gefühlt, wie sich die heutigen mazedonischen Politiker, Historiker u.a. fühlen, ist eine ganz andere Frage.“

Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow



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