Als der bulgarische Premier Bojko Borissow und der mazedonische Ministerpräsident Zoran Zaev Anfang August den Vertrag über Freundschaft, gutnachbarschaftliche Beziehungen und Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern unterzeichnet haben, kommentierten etliche Beobachter ziemlich reserviert, nun müsse er aber auch in die Tat umgesetzt werden. Nach der gestrigen gemeinsamen Regierungssitzung in der mazedonischen Stadt Strumica hat sich diese Reserviertheit jedoch als unbegründet erwiesen. Die bulgarische und die mazedonische Regierung haben neun neue Vereinbarungen unterzeichnet. Der Nachbarschaftsvertrag ist zwar noch nicht ratifiziert worden, doch will man das bis Jahresende nachholen.
Die Entwicklung der bilateralen Beziehungen übertrifft selbst die kühnsten Hoffnungen und zeugt von der festen Entschlossenheit beider Länder, sie gänzlich und baldmöglichst zu normalisieren. Die entsprechenden Meilensteine, wo dies zuerst geschehen soll, wurden bereits gesetzt und zwar: Infrastrukturprojekte, Energiewirtschaft, Investitionen, Tourismus, gemeinsames Vorgehen und gegenseitige Unterstützung bei Krisensituationen. Im Dezember, kurz vor Beginn der bulgarischen EU-Ratspräsidentschaft, kommen mazedonische Experten nach Bulgarien, um aus seinen Erfahrungen beim Abruf von EU-Fördermitteln zu lernen.
Die positive Entwicklung in den politischen Beziehungen hat sich auch auf die Beziehungen zwischen den Kirchen Bulgariens und Mazedoniens ausgewirkt. In Strumica betonte Premier Bojko Borissow, dass die Politiker sich zwar nicht in die Kirchenangelegenheiten einmischen, aber wirklich glücklich wären, falls beide Kirchen im Namen des Wohlergehens beider Völker zusammenarbeiten würden. Zugleich haben in Sofia Präsident Rumen Radew und der bulgarische Patriarch Neofit in ähnlichem Ton erklärt, dass der Staat und die Bulgarische orthodoxe Kirche den gleichen Willen nach einer Vertiefung der Beziehungen mit Mazedonien teilen. Patriarch Neofit versicherte, dass die Heilige Synode nach Wegen suchen wird, um dem Wunsch der Mazedonischen Orthodoxen Kirche nach einer hierarchischen Einheit mit der Bulgarischen Orthodoxen Kirche zu genügen. Mit dieser Fragestellung wird sich die Heilige Synode vermutlich bereits am kommenden Montag befassen. Wie ihrer Entscheidung aber ausfallen wird, ist schwer zu sagen, da diese Frage aus historischer Sicht umstritten und recht heikel ist. Einseitige und selbst zweiseitige Entscheidungen wären in diesem Fall nicht möglich, doch die Bereitschaft der bulgarischen Geistlichen, dem Vorschlag des mazedonischen Klerus Aufmerksamkeit zu schenken, zeugt an sich schon vom guten Willen beider Seiten.
Die günstige Entwicklung der bisher recht problematischen bulgarisch-mazedonischen Beziehungen erfolgt am Vorabend der bulgarischen EU-Ratspräsidentschaft und fällt zugleich mit einer neuen Phase im Dialog zur Überwindung des Namensstreits zwischen Mazedonien und Griechenland zusammen. So gesehen reflektieren die positiven Trends nicht allein auf die bilateralen Beziehungen, sondern auch auf die EU- und NATO-Perspektiven Mazedoniens und der Westbalkanländer.
Übersetzung: Rossiza Radulowa