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Prävention von Geldwäsche in Bulgarien – Herausforderungen und Instrumente

Der holländische Botschafter in Bulgarien, Karel van Kesteren, und Vizepremier und Innenminister Zwetan Zwetanow waren Gäste des Rundtischs zum Thema „Prävention von Geldwäsche – Herausforderungen und Instrumente“ in Sofia
Foto: BGNES
Auch wenn in den letzten Jahren die Zahl der Anklagen wegen Geldwäsche gestiegen ist, sei diese nach wie vor unzureichend. Das erklärte der Analyst Tihomir Beslow während eines Rundtischs zum Thema „Prävention von Geldwäsche – Herausforderungen und Instrumente“ in Sofia. Organisiert wurde die Diskussionsrunde vom Zentrum für Demokratieforschung. Gäste waren unter anderem Vizepremier und Innenminister Zwetan Zwetanow und der holländische Botschafter in Bulgarien, Karel van Kesteren. Letzterer gratulierte Regierung und Innenministerium für die jüngst erfolgreich durchgeführten Aktionen, die, so der holländische Botschafter, die Entschlossenheit und Zielstrebigkeit des Landes im Kampf gegen organisiertes Verbrechen und Korruption unter Beweis stellen. Die Prävention von Geldwäsche ist ein wichtiger Bestandteil der Bekämpfung von Korruption und organisierter Kriminalität. Zudem sind die Ergebnisse bei der Korruptions- und Verbrechensbekämpfung Gegenstand der Fortschrittsberichte der EU-Kommission.

Studien des Zentrums für Demokratieforschung bescheinigen der organisierten Kriminalität in Bulgarien eine hohe Anpassungsfähigkeit an sich verändernde Bedingungen. Seit dem EU-Beitritt des Landes steigt die organisierte Kriminalität zunehmend in die legale Wirtschaft ein und legalisiert beschleunigt ihr kriminelles Kapital. Laut Bericht seien Gesetzesnovellen zur Einziehung von Vermögenswerten aus Straftaten erforderlich. Weiter vermerkt wurde die Fertigstellung des ersten integrierten Handbuches zu Ermittlungen wegen Geldwäsche. Das Handbuch ist eine Gemeinschaftsinitiative des Zentrums für Demokratieforschung und der holländischen Regierung und verallgemeinert die bisherigen praktischen Erfahrungen Bulgariens.

Eine Studie des Zentrums für Demokratieforschung beziffert die Jahreseinnahmen aus illegalen Märkten und kriminellen Geschäften mit mindestens zwei bis zweieinhalb Milliarden Euro. Die Gelder stammen vor allem aus Drogenhandel, illegaler Einfuhr von Zigaretten und anderen Schmuggelgeschäften, Prostitution, Korruption bei der Vergabe öffentlicher Aufträge sowie Steuer- und Mehrwertsteuerbetrug. Nicht einbezogen wurden Schwarzgelder aus anderen illegalen Geschäften, wie Finanzbetrug und Schmuggel von Kulturgut, sowie Gelder aus der Schattenwirtschaft. Im Gegensatz zu entwickelten Demokratien, wo Geld vor allem über komplizierte Finanztransaktionen oder Investitionen in die Realwirtschaft, wie etwa den Kauf von Vermögenswerten, rein gewaschen wird, ist in Bulgarien ein spezifische Investitionsform zu beobachten – investiert wird in die Politik. Kriminelle und Oligarchenstrukturen „legalisieren“ ihr Schwarzgeld über den Stimmenkauf bei Wahlen oder kräftige Spenden für Parteien. Und so verschaffen sie sich den Zugang zur Macht, besonders auf kommunaler Ebene. Erste alarmierende Zeichen für diese Vorgehensweise gab es bei den Kommunalwahlen 2007. Bei den Parlamentswahlen 2009 wurde diese Tendenz bestätigt.

Zentrumschef Dr. Ognjan Schentow zufolge sei das Problem der Geldwäsche ein globales Problem. In Bulgarien stelle dieses Problem aufgrund seiner Spezifik jedoch auch eine Gefahr für die nationale Sicherheit dar. Die Investition von Schwarzgeld in den Wahlkampf könnten politische Erschütterungen auslösen und an den Grundpfeilen des Staates rütteln, trotz positiver Änderungen in Innenministerium und Regierung in den letzten sieben-acht Monaten, meint Dr. Schentow.

„Die Bekämpfung und Prävention dieses Verbrechens muss Aufgabe des gesamten staatlichen Kontrollsystems sein, das gegenwärtig nicht funktioniert. Etwas weiter ausgeholt bedeutet das, dass die Verwaltungsreform genau hier ansetzen muss. Die Kontrollmechanismen müssen verschärft werden und das System an sich muss funktionieren. Nur so können wir etwas verändern. Die Möglichkeiten der Rechtschutzbehörden sind begrenzt. Die Bekämpfung dieses sehr spezifischen Verbrechens muss auf eine breitere Basis gestellt werden. In diesem Kontext steht auch unsere Initiative zur Einführung spezieller Ermittlungsverfahren, aufgeführt im Handbuch.“

Laut Innenminister Zwetan Zwetanow sei für reelle Veränderungen zunächst einmal politischer Willen gefragt. Aufgrund der Versäumnisse in den letzten 20 Jahren, so Zwetanow, gestalte sich diese Aufgabe in Bulgarien heute schwieriger. Die Generaldirektion zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität GDBOP habe sich als führende Behörde etabliert. Zudem seien Ermittler-Sondereinheiten geschaffen worden, verwies Ressortchef Zwetanow. „Der Kampf gegen Geldwäsche ist Bestandteil der Regierungspolitik und muss bei den Ermittlungen ein führendes Element sein. Nur so kann man die Vermögenswerte der organisierten Verbrecherbanden einziehen. Das Innenministerium bereitet eine Langzeitstrategie für Sicherheit vor, die öffentlich debattiert werden soll“; informierte Innenminister Zwetanow weiter.

„Ich hoffe, dass wir in drei-vier Monaten den Strategierahmen für die kommenden 10 bis 15 Jahre umreißen können. Dieser muss natürlich mit Gesetzesnovellen einhergehen. Wir gehen davon aus, dass wir uns mit den parlamentarischen Fraktionen auf einen politischen Konsens einigen können. An der Debatte werden zudem Nichtregierungsorganisationen und unsere euroatlantischen Partner teilnehmen.“

Übersetzung: Christine Christov
По публикацията работи: Tatjana Obretenowa


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