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Tabu-Themen in den bulgarischen Online-Medien

„Es gibt eine Reihe von gesellschaftsrelevanten Themen, die in den bulgarischen Medien nicht behandelt werden", meint Iwo Indschow.
Foto: Privat
Die Finanzierung der Online-Medien in Bulgarien ist ein Thema, das für die hiesige Presse überhaupt kein Thema ist. Das stellten das bulgarische Institut für moderne Politik und die deutsche Friedrich-Naumann-Stiftung in einem gemeinsamen Projekt über die Tabu-Themen in den bulgarischen Online-Medien fest.

Die Untersuchung des liberalen Instituts für moderne Politik und der Friedrich-Naumann-Stiftung stellte eine Reihe von fragwürdigen Finanzierungen fest. So z.B. hat die US-amerikanische Stiftung „Amerika für Bulgarien“ innerhalb nur kürzester Zeit insgesamt 2,5 Millionen Euro für Projekte einer Handvoll Medien ausgegeben, ohne dass klare Kriterien dafür vorliegen und ohne absehen zu können, welche Auswirkungen diese Finanzierung für die redaktionelle Politik der Medien haben wird. Und noch ein frappantes Beispiel aus der Studie: bestimmte Medien kamen in den Genuss großzügiger Geldüberweisungen aus Ministerien, um bestimmte EU-Programme zu popularisieren. Das Institut für moderne Politik geht davon aus, dass diese Medienunterstützung für gewisse EU-Projekte unweigerlich die redaktionelle Politik beeinflusst hat. Terra incognita bleiben auch fast alle regionalen Online-Medien, die meistens im Besitz von regionalen Oligarchen oder Politiker sind.

Die Studie befasste sich natürlich auch mit dem politischen und wirtschaftlichen Druck auf Journalisten. Dem Projektleiter Iwo Indschow zufolge sei es nicht weiter verwunderlich, dass die schlechte Medienlandschaft in Bulgarien zum schlechten Ranking des Landes der Organisation „Reporter ohne Grenzen“ geführt hat – dort ist Bulgarien auf Platz 87 EU-Schlusslicht.

„Bulgarien ist EU-Schlusslicht und hat sogar schlechter abgeschnitten, als Italien mit Berlusconis umstrittenen Medienmodell“, betont Indschow. „Selbst Ungarn des Populisten Viktor Orban schneidet besser ab, obwohl auch dort die Presse einem beispiellosen politischen Druck ausgesetzt ist. Der Ursprung für die Probleme Bulgariens ist in der Medienkonzentration zu suchen. Hier blüht der so genannte korporative Journalismus, der eine logische Folge der Eigentumsverhältnisse in den bulgarischen Medien ist. Der überwiegende Teil der Zeitungen ist in der Hand von einflussreichen Unternehmerkreisen. Diese Unternehmer verfolgen ganz andere Ziele, als etwa freie und unabhängige Medien zu fördern. Ihnen geht es um politische Einflussnahme durch ihre eigenen Medien“, schlussfolgert Iwo Indschow.

Sein Team hat für 2012 festgestellt, dass das Phänomen „non reporting“ besonders stark in den Online-Medien zu beobachten war. Für die Nachrichtenportale, analytische Seiten und die Online-Ausgaben der Printmedien formulierten das Institut für moderne Politik und die Friedrich-Naumann-Stiftung ganze 18 Tabu-Themen. Dazu gehören unter anderem die Mutmaßungen über die kriminelle Vergangenheit des ehemaligen bulgarischen Ministerpräsidenten Bojko Borissow. Darüber haben zahlreiche unabhängige Medien berichtet, ihre Informationen wurden von der westeuropäischen Presse zitiert, doch zu tiefgreifenden Recherchen kam es nie. Kein einziger Journalist in Bulgarien hat sich jemals getraut, Borissow nach seiner Vergangenheit zu fragen. Selbst dann nicht, als Wikileaks geheime Berichte der amerikanischen Botschaft in Sofia zum Thema veröffentlicht hatte. Ein Tabu-Thema sind wohl auch die gesetzwidrigen Abhöraktionen des früheren Innenministers Zwetanow. Aber auch die verbraucherfeindlichen Verträge der Mobilfunkanbieter in Bulgarien, was leicht zu erklären ist – die Handybetreiber zählen zu den größten Anzeigenkunden der Medien.

Für den Projektleiter Iwo Indschow sind jedoch nicht nur die mysteriösen Drahtzieher der Medien der Grund für die schlechte journalistische Qualität.
„Die Journalisten fallen den aktuellen Nachrichten sehr leicht zum Opfer und erlauben sich nicht, einen Seitenblick auf das Gesamtbild zu werfen“, hat Indschow beobachtet. „Es gibt eine Reihe von gesellschaftsrelevanten Themen, die in den bulgarischen Medien nicht behandelt werden. Zudem sind die Journalisten im Kopf nicht vorurteilsfrei, was insbesondere in Berichten über die Minderheiten in Bulgarien sichtlich wird. All dies ist ein Problem der journalistischen Ausbildung, die Bulgarien seit Jahren vernachlässigt“, sagt Iwo Indschow abschließend.

Übersetzung und Redaktion: Vessela Vladkova
По публикацията работи: Ilijana Rajtschewa


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