Eine Gruppe etlicher Männer und einer Frau haben sich in einem Atelier versammelt und scheinen reghaft über ein Bild zu diskutieren, das jedoch mit dem Rücken zum Betrachter gekehrt ist. Dafür sind die Bilder an den Wänden und auf den Stativen gut erkennbar. Es ist eine Bildbesprechung, die der Maler Assen Wassilew im Jahre 1952 gemalt hat und die uns in die Anfangszeit des Kommunismus in Bulgarien versetzt.
Vor zwei Jahren stieß der Kunstwissenschaftler Plamen Petrow auf das in Vergessenheit geratene Bild auf dem einige bedeutende bulgarische Künstler auf Anhieb erkannt werden können, wie Wladimir Dimitrow, Iwan Nenow und Kyrill Zonew. Doch wer sind die anderen auf diesem Gruppenbildnis? Eine Expertengruppe wurde gebildet, der neben Plamen Petrow auch andere Kunstwissenschaftler, wie auch Historiker und Restauratoren angehören. Prof. Ewgenia Kalinowa von der Sofioter Universität „Heiliger Kliment von Ochrid“ analysierte ihrerseits die Veränderungen in der bildenden Kunst Bulgariens jener Zeit.
„Wir haben alle Personen auf dem Bild identifizieren können. Es sind insgesamt 20 Künstler, unter ihnen eine Frau – die Malerin Rajna Ewtimowa“, erzählt Plamen Petrow. „An der Wand im Hindergrund ist ein Bildnis – also ein Bild im Bild, auf dem der Maler Mordohai Benzion zu sehen ist. Er hat die bulgarische Kunst maßgeblich beeinflusst, auch wenn er im Alter von 42 Jahren verstorben ist. Es hat sich herausgestellt, dass alle dargestellten Künstler ihre ersten Berufserfahrungen in der Stadt Kjustendil gemacht haben. Alle wurden dort oder in den umliegenden Dörfern geboren, mit Ausnahme von Iwan Nenow, der jedoch die Grundschule in Kjustendil besucht hat. Alle sie stehen mit dem ebenfalls dargestellten Wladimir Dimitrow, genannt der Meister, in Verbindung. Er war ihr Mentor und gleichzeitig Mäzen ihrer Kunst.“
Das Bild von Assen Wassilew „Bildbesprechung“ wird nun in einer Ausstellung in der hauptstädtischen Galerie „Waska Emanuilowa“ gezeigt, die mit Unterstützung der Sofioter Stadtgalerie, der Galerie „Wladimir Dimitrow, der Meister“ in Kjustendil und der Organisation der bulgarischen Juden „Schalom“ eingerichtet wurde. Jeder der auf dem Bild dargestellten Künstler ist wiederum mit einem Werk vertreten. Einige darunter werden zum ersten Mal dem Publikum gezeigt, oder wurden Jahrzehnte nicht ausgestellt und mussten erst restauriert werden. Das Expertenteam, dass das Werk analysiert und die Ausstellung vorbereitet hat, hat übrigens eine interessante Parallele zu einem anderen Bild entdeckt, das jedoch im Unterschied zum bulgarischen Bild in der ganzen Welt bekannt ist. Es handelt sich um das Fresko von Raffael „Die Philosophenschule von Athen“ im Vatikan. Dort stehen im Zentrum Platon und Aristoteles, vertieft in einem Disput – auf dem Bild von Wassilew sind es hingegen Wladimir Dimitrow – der bedeutendste Maler aus den Anfangsjahren des Kommunismus in Bulgarien und der Literator und Maler Krum Kjuljawkow – ebenfalls ein vom kommunistischen Regime hoch geschätzter Künstler. So wie Platon der Lehrer von Aristoteles war, hatte auch Krum Kjuljawkow bei Wladimir Dimitrow gelernt.
Doch das Bild gibt auch Rätsel auf. Krum Kjuljawkow hat in der Nachkriegskunst keine allzu rühmliche Rolle gespielt. Als überzeugtes Mitglied der Bulgarischen Kommunistischen Partei ist er maßgeblich für die durchgeführten Säuberungsaktionen in der Kunst verantwortlich. Einige Historiker machen ihn sogar für den Mord an einem Künstlerkollegen verantwortlich. Etliche Künstler Bulgariens wurden auf seine Weisengen hin entlassen und durften sich nicht mehr an Ausstellungen beteiligen. Unter den Repressalien ausgesetzten Künstlern waren auch die auf dem Bild dargestellten Iwan Nenow und Kyrill Zonew. Doch hier sind alle in einer fast freundschaftlichen Atmosphäre vereint dargestellt, als ob nichts wäre. Auch hat eine Bildbesprechung in dieser Zusammensetzung nie stattgefunden. Der Maler Assen Wassilew wollte mit diesem Bildnis vielleicht nicht nur den bedeutendsten bildenden Künstler von Kjustentil und Umgebung ein Denkmal setzten, sondern hatte vielleicht eine Versöhnungsgeste im Sinn...
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
Fotos: Weneta Pawlowa
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