Bis vor etwa 25 Jahren lebten wir mit dem Gedanken, dass Krieg in Europa schon lange nur noch Geschichte ist. 1999 fielen aber die Bomben im benachbarten Jugoslawien, wovon heute noch vereinzelte Bombentrichter in den Nachfolgestaaten und angeschlagene Gebäude in Belgrad und anderen Städten zeugen. Das schien dann auch vorbei zu sein, doch jetzt begann unter den Donner der Kanonen ein neuer tödlicher Feuertanz in unserer Nähe – diesmal in der Ukraine.
Wiedereinmal kamen in die Nachrichten der Verlust und die Eroberung von Gebieten und bezahlt werden sie stets mit der gleichen Münze – mit Leid und Menschenleben. „In den Konfliktregionen leben auch rund 6000 Personen, die bulgarischer ethnischer Abstammung sind. Das sind unsere Landsleute und wir müssen ihnen Beachtung schenken, sagte vor ca. einem Monat der bulgarische Außenminister Daniel Mitow. Er gab bekannt, dass das Ministerium das bulgarische Konsulat in Odessa und die Botschaft in Kiew angewiesen hat, ethnischen Bulgaren schneller und leichter Visa auszustellen. Einige Tage später gab man aus dem Kloster "Entschlafung der Gottesmutter" bei Trojan bekannt, dass man bereit sei, dort bis zu 60 Bessarabien-Bulgaren unterzubringen. Solche Bereitschaft gibt es auch im 500-Seelen-Dorf Gurkowo in der Region Dobrudscha in Nordost-Bulgarien, keine 10 Kilometer von der Schwarzmeerküste entfernt. Sein Bürgermeister Todor Georgiew erzählt:
Nach dem Russisch-türkischen Krieg von 1818-1819 wurden viele Einwohner unseres Dorfes nach Rumänien ausgesiedelt. Als nach der Befreiung von der türkischen Fremdherrschaft laut dem Berliner Vertrag der nördliche Teil von Dobrudscha an Rumänien angegliedert wurde, kamen viele Bulgaren von dort nach Gurkowo. Unsere Vorfahren haben die Beschwerlichkeit der Übersiedlung erfahren müssen und deshalb empfinden ihre Nachkommen jetzt Mitgefühl für die notleidenden Landsleute und sind bereit, ihnen zu helfen.
Leute vom Dorf haben Kontakt zum Verband der Bulgaren in der Ukraine aufgenommen. Kurze Zeit später begrüßte man den ersten Bessarabien-Bulgaren in Gurkowo. Für Witali Drosda öffnete Miroslaw Martschew nicht nur seine Seele, sondern auch sein Haus. Und dann kamen die ersten Probleme.
"Mein Problem ist, dass ich mit dem so genannten Visum C hier bin, das ist ein Touristenvisum, ein Visum für Urlauber. Für einen ständigen Aufenthalt und später für die Einbürgerung brauche ich aber ein Visum D. Ich möchte hier leben, hier sind meine Wurzeln", sagt Witali.
Der Bürgermeister von Gurkowo, der Witali mit dem Papierkram hilft, erklärt, dass die bulgarische Botschaft in Kiew den Bessarabien-Bulgaren nur Touristenvisa ausstellt, die höchstens drei Monate Aufenthalt gestatten. In der Einwanderungsbehörde verlangt man aber ein Visum D, um eine ständige Aufenthaltsgenehmigung auszustellen. "Ich hoffe, dass das geklärt wird, jetzt, da sich damit das Parlament und die Regierung befassen", sagt der Bürgermeister Todor Georgiew.
Witali hat in der Ukraine Frau und Kind zurückgelassen. Das Kind ist erst anderthalb Jahre alt. Er würde sie gern hier haben, doch vorher muss er hier Fuß fassen, eine Arbeit finden. Mit dem Visum C geht auch das aber nicht. Er hat damit keine Arbeitsgenehmigung. Ohne seinen Gastgeber würde er überhaupt nicht über die Runden kommen. Der Erklärung der Agentur für die Auslandsbulgaren, dass bei der verschlechterten Lage in der Ukraine die ethnischen Bulgaren dort "und besonders die Vertreter der jüngeren Generation Möglichkeiten für eine Einwanderung in Bulgarien suchen könnten", müsste auch eine angemessene Reaktion der zuständigen Behörden in Bulgarien folgen.
Was hat Miroslaw Martschew dazu bewegt, Witali aufzunehmen?
"Er ist ein Mensch in Not, der vor dem Krieg flieht und der bulgarische Wurzeln hat. Seine Großmutter ist während des Russisch-türkischen Krieges nach Saporoschje geflohen, in die Ukraine. Heute ist er seinerseits gezwungen, in das Land seiner Vorfahren zu fliehen. Sein großes Problem ist, dass man ihm nicht gesagt hat, dass er ohne Visum D nicht länger als drei Monate in Bulgarien bleiben und hier nicht arbeiten darf. Und er ist schon etwa 20 Tage hier. Ich kann ihm mit meinen eigenen Mitteln eine Unterkunft und etwas Wärme geben. Er braucht aber auch Geld, viel Geld. Allein die Ausstellung, Übersetzung und Beglaubigung der Papiere für das Visum D kosten an die 2500 Euro. Seine Familie hat Grundstücke verkauft, nur damit er hierher kommen kann. Viele kommen zu ihm, um mit seiner Hilfe ihr Image aufzubessern, es kommen Leute von den verschiedensten Medien, doch niemand hat bisher etwas mitgebracht, gesagt: "Hier Witali, ich bringe dir Geld oder Kleidung oder etwas zu essen. Nur unser Bürgermeister ist am ersten Tag mit etwas Geld und Lebensmitteln gekommen und dafür sind wir ihm sehr dankbar", sagt Miroslaw Martschew.
Übersetzung und Redaktion: Petar Georgiew
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