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Die Schulausbildung – eine tickende Zeitbombe?

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In der vergangenen Woche wurden die Ergebnisse aus den zwei wichtigsten Prüfungen für die schulische Ausbildung in Bulgarien bekannt: aus den Aufnahmeprüfungen für die Fachgymnasien nach der siebten Klasse und der Abiturprüfungen. Und sie stimmen nachdenklich, denn jeder vierte Siebtklässler hat eine Sechs in Mathematik geschrieben. Bei den Schulabgängern sieht es etwas besser aus, obwohl das Bildungsministerium kommentiert hat, dass die Ergebnisse im Pflichtfach Bulgarisch schlechter ausgefallen sind, als im vergangenen Jahr.

Die Ergebnisse aus beiden Prüfungen wurden fast zeitgleich mit einer großen Ehrung der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften bekannt. Geehrt wurden fünf Gymnasialschüler, die Preise bei einem der größten Wettbewerben für Schüler in den USA abgeräumt haben. Doch, wie es scheint, sind sie eher die Ausnahme, denn 27 Prozent der rund 110.000 Siebenklässler sind bei der Aufnahmeprüfung im Mai durchgefallen.

Maria Amsina organisiert seit Jahren Vorbereitungskurse für die Aufnahmeprüfungen und für das Abitur und unterrichtet Schüler aus verschiedenen Schulen in Sofia. Ihr zufolge war das schlechte Abschneiden der Schüler zu erwarten, denn die Prüfungen sind schlecht aufgestellt und der trockene Unterricht an der Schule demotiviert die Kinder.

"Bei diesen Prüfungen wird ein hoher Bildungsgrad gefordert, den die bulgarischen Schüler einfach nicht haben", sagt Maria Amsina. "Sie können sich weder schriftlich, noch mündlich frei äußern, eine These aufstellen und sie argumentieren. Und da sich der Unterricht an der Schule ausschließlich auf das Format der Aufnahmeprüfung nach der siebten Klasse richtet, pauken die Schüler den Stoff, ohne ihn zu verstehen. Und auch die Lehrer sind gezwungen, sich in diesem Rahmen zu bewegen und die Kinder auf die Prüfung zu trainieren. Die Kinder spüren aber sofort, wenn sie etwas lernen sollen, das ihnen später im Leben nichts bringt und sind demotiviert", kommentiert Maria Amsina.

Das Bildungsministerium erklärte sich bereit, das Format der Prüfung zu überdenken, nannte aber keine Fristen. Und bis es soweit ist, bleiben die Aufnahmeprüfungen für die Fachgymnasien ein Synonym von Stress und Panik unter Schülern, Lehrern und Eltern. Der Grund ist, dass die Fachgymnasien in Bulgarien die besseren Schulen sind, wo entweder Fremdsprachen oder Naturwissenschaften intensiv unterrichtet werden. Das Abitur an einem solchen Gymnasium öffnet die Tore zum Studium breit und deshalb sind sie unter den Siebtklässler so begehrt. "Die Konkurrenz ist entsprechend groß und aus diesem Grund greifen Kinder und Eltern in der Vorbereitung auf die Prüfungen zum Privatunterricht", sagt Daniela Konstantinowa, Mutter eines 14-jährigen Jungen.

"Die Eltern gehen auf Nummer sicher, denn nach der siebten Klasse haben die Kinder eine einzige Chance, auf eine gute Schule zu kommen, und man will sie natürlich nicht verpassen", argumentiert Daniela. "Daran ist eigentlich nichts schlimm, das Problem liegt vielmehr darin, dass diese Prüfung einmalig ist. Die schulischen Leistungen der Kinder werden bis zur siebten Klasse nicht systematisch geprüft und so kommt es zu der Stresssituation. Dabei sollte die Schule allen Kindern gleiche Chancen einräumen", meint Daniela Konstantinowa.

Zahlreiche Umfragen unter Schülern zeigen, dass sie den Großteil des Unterrichtstoffs an der Schule für überflüssig halten. Sie sehen den praktischen Bezug zum Leben nicht. Und so ist das Pauken nur für die Prüfungen eine tickende Zeitbombe. Denn gleich nach der Prüfung vergessen sie das Gelernte. Die Schule produziert somit Menschen, die nicht eigenständig denken können. Deshalb fordert Maria Amsina, dass Bulgarien schnellstmöglich Prüfungen nach dem PISA-Muster einführt. "Die PISA-Tests haben zum Ziel, die Kinder praxisnah zu bilden, denn nur gebildete Menschen lassen sich nicht manipulieren", meint Amsina.

"Der Unterricht muss sich grundlegend verändern", fordert Maria Amsina. "Wir müssen das Interesse und die natürliche Neugier der Kinder bewahren und die Rolle der Lehrer ist dabei von entscheidender Bedeutung. Der Lehrer hat den täglichen Kontakt mit den Kindern, er schaut ihnen in die Augen und kann einschätzen, welche Bedürfnisse das einzelne Kind hat und ob es gefördert werden muss. Ich habe den Eindruck, dass wir den Schülern heute alles auf dem silbernen Tablett servieren und aus ihnen passive Bürger machen", meint Amsina.

Dieser Eindruck der Pädagogin findet leider eine Bestätigung in der Statistik – Bulgarien ist das Land in Europa, wo die meisten jungen Menschen unter 25 Jahren weder in der Ausbildung sind, noch arbeiten.



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