Der langjährige Vorsitzende des Rundfunkrates, Georgi Lozanow, ist am Donnerstag überraschend zurückgetreten. Seine Begründung: Es liegen keine gesetzlichen Bestimmungen vor, die ihn die Lizensierung eines neuen Fernsehsenders in Bulgarien verweigern lässt. Es liegen aber offensichtlich ethische Gründe vor: „Ich möchte nicht, dass ich als Mitglied und Vorsitzender des Rundfunkrats einen Fernsehsender legitimiere, der ahnen lässt, dass die aggressive Rhetorik und die Hassrede des gleichnamigen Online-Portals auch über die Bildschirme flattern werden. Ich sehe keine andere persönliche Konsequenz, als von meinem Amt zurückzutreten.“
Rücktritte gibt es in Bulgarien nicht gerade oft. Und schon gar nicht freiwillige und aus ethischen Gründen. Im konkreten Fall des Georgi Lozanow würden die Haters sofort einwenden, seine Tage als Mitglied und Chef des Rundfunkrates sind ohnehin gezählt – am 1. April läuft sein Mandat aus. Viel wichtiger ist allerdings, dass der zurückgetretene Rundfunkratschef Fragen über die Medienlandschaft in Bulgarien stellt, die der bulgarischen Gesellschaft wie ein Mühlstein am Hals hängen. Es wäre illusorisch zu denken, dass das Rundfunkgesetz perfekte Medien schafft. Die Gesetze schaffen lediglich den Rahmen. Doch, dieser Rahmen scheint verpfuscht zu sein. Denn er gibt keine Möglichkeit für die tatsächliche Ermittlung der Finanzierungsquellen von Medien, schafft keine Grenzen für die Medienkonzentration, schützt die Journalisten vor den Medienbesitzern nicht, sanktioniert die Hassrede nicht, verpflichtet die Medienbesitzer nicht, sich politisch zu outen, duldet aber, dass Politiker eigene Sendungen haben.
In diversen Rankings verschiedener großer internationaler Organisationen, wie „Reporter ohne Grenzen“, „Freedom House“ oder die Assoziation europäischer Journalisten, rutschen die bulgarischen Medien Jahr für Jahr ab. Sie werden als zunehmend undemokratisch, unfrei und unprofessionell bezeichnet. Mehr noch – die Medien in Bulgarien erfüllen ihren öffentlichen Auftrag nicht, zu informieren und zu bilden, sondern lassen sich immer mehr zu Skandalmeldungen von zweifelhaftem Wert verleiten und sind Sprachrohr für die Interessen ihrer Inhaber, die nach wie vor im Dunst politischer und wirtschaftlicher Seilschaften versteckt sind.
Eine Reihe von Untersuchungen der Medienlandschaft in Bulgarien haben erschreckende Abhängigkeiten der Journalisten ans Tageslicht gebracht. Jeder zweite Kollege aus 40 untersuchten Medien gab an, politischem Druck ausgesetzt zu sein. Jeder Dritte verspüre den Druck der Anzeigenkunden, und wiederum jeder Dritte setzte täglich die Schere im Kopf ein. Vor diesem Hintergrund sollten sich Zuschauer, Hörer und Leser anhand der Medienberichterstattung eigene Schlüsse ziehen und eine Meinung bilden, frei von Propaganda und Manipulation.
Die Medien in Bulgarien funktionieren oft unter den Bedingungen der inoffiziellen Zensur und die Gründe dafür sind in der finanziellen Engpässe der Gilde zu suchen. Aber auch im Fehlen eines Konsens und des Verständnisses über den Auftrag der Medien in einer demokratischen Gesellschaft. Dabei ist die Medienlandschaft von entscheidender Bedeutung für das Funktionieren der Demokratie. In den entwickelten Demokratien ist das ein Postulat, an dem nicht zu rütteln ist. In Bulgarien setzen die Medienkonzentration in den Händen weniger Oligarchenkreise und die schleierhaften Eigentumsverhältnisse die Demokratie in Gefahr. Was übrig bleibt, ist eine Fassadendemokratie.
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