Vor knapp vier Wochen hat die Europäische Kommission einen recht kritischen Fortschrittsbericht über Bulgariens Justiz veröffentlicht. Zum wiederholten Male kreiste die Brüsseler Kommission ein, dass Bulgarien keine tiefgreifenden Reformen unternimmt, um die Korruptionsbekämpfung im Land voranzubringen. Das reicht der Kommission wohl nicht aus, denn kurz darauf folgte Kritik auch an Bulgariens Wirtschaft.
Im EU-Bericht zur Wirtschaftslage findet sich kein einziges gutes Wort für Bulgarien. Ganz im Gegenteil – Brüssel mahnt sowohl die Wirtschaftsentwicklung an, als auch die Sozialpolitik. Krass ausgedrückt, bleibt beim Durchlesen des Berichts der Eindruck, Bulgarien sei ein schwarzes Loch in der Union, wo alles undurchsichtig, schleierhaft, erdrückend und gefährlich ist. Um es mit den Worten der Kommission zu formulieren: Korruption, ausbleibende Investitionen, Reformen im Schneckentempo, zu hohe Verschuldung der Privatwirtschaft, Mängel bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Deflation kennzeichnen Bulgariens aktuelle Situation. Angesichts dieser Schilderung sind die Erwartungen der EU nachvollziehbar: Vertiefung der sozialen Spannungen im Gesundheitswesen und der Bildung, und langsameres Tempo des Wirtschaftswachstums, als erwartet. Uns steht also eine düstere Zeit bevor.
Dass Bulgarien nicht gerade ein Magnet für Menschen auf der Suche nach einem guten Leben ist, ist bekannt. Das ärmste Land in der Europäischen Union ist Bulgarien schon seit seinem Beitritt vor neun Jahren. Doch, ist wirklich alles so trüb und hoffnungslos? Alles ist relativ. Die in Bulgarien veröffentlichten Eckdaten zeichnen ein etwas anderes Bild. Das Bruttoinlandsprodukt ist im vergangenen Jahr mehr als der EU-Durchschnitt gewachsen. Die Auslandsverschuldung ist so gering, dass sie nicht erwähnt zu werden braucht. Die Löhne und Gehälter sind niedrig, aber dennoch steigen sie so schnell, wie sonst nirgendwo in Europa. Die Arbeitslosenquote ist niedriger, als der EU-Durchschnitt und geht weiter zurück. Die Tourismusbranche boomt und bringt Erträge, die wir aus den Vorkrisenjahren 2008-2009 her kennen. Und noch etwas, was angesichts der angespannten politischen Lage in Europa sehr wichtig ist: Bulgarien ist eine Insel der sozialen und politischen Stabilität.
Ein Land an der EU-Außengrenze in die Mangel zu nehmen, das weder politisch, noch wirtschaftlich einen allzu großen Druck auf die EU-Entscheidungen ausüben kann, ist eine leichte Sache. Es ist viel einfacher, als die wenigen positiven Entwicklungen in einem bürokratischen Bericht zu erwähnen. Leider spielen aber eben solche bürokratischen Berichte aus Brüssel eine wichtige Rolle in den innerpolitischen Kämpfen in Bulgarien. Wäre es nicht so, würden wir auch kein Wort über den EU-Bericht zur Wirtschaftslage verlieren.
Deutsche Fassung: Vessela Vladkova
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