Über 15.000 Menschen besuchten dieser Tage die Kleinstadt Aprilzi in Mittelbulgarien, um sich am Fest des Specks und des Glühschnapses zu beteiligen. Vor sechs Jahren kam die Idee zu diesem Fest auf, bei dem der hiesige Schnaps, mit dem die Gäste der Stadt traditionell bewirtet werden, im Mittelpunkt steht. Auf dem Fest wird aber weniger getrunken, als man annehmen könnte, denn es ist im Grunde genommen ein Fest der Gastfreundschaft.
„Jeder, der bei uns zu Besuch kommt meint: „Willst du nicht den Speck anschneiden… lass uns dazu auch einen Schnaps trinken, wie es sich gehört!“ – und so kam die Idee zu diesem Volksfest auf“, sagt Dontscho Patschnikow, Vorsitzender des Kulturhauses von Aprilzi, das das Fest organisiert. „Der Schnaps und der Speck, der die obligatorische Beilage zum Schnaps ist, stehen bei uns hoch in Ehren, zumal beide eine hohe Qualität besitzen. Nirgendwo anders wird der Speck so gut und man legt sich hier Vorräte nicht nur für den Winter, sondern für das ganze Jahr an. Der Schnaps wird wiederum aus Pflaumen oder Äpfeln gebrannt. Bei uns im Balkangebirge wird nur Obst angebaut, für andere Arten Landwirtschaft haben wir keine Bedingungen. Das Obst wurde seit jeher maximal genutzt – die guten Früchte waren für den Verkauf bestimmt, während die restlichen zum Gären gebracht wurden, um dann daraus Schnaps herzustellen. Bei uns gibt es sehr gute Schnapsbrenner. Es gibt wahre Kenner, die nach einer Verkostung sogar sagen können, wer den Schnaps gebrannt hat. Damit der Schnaps noch besser wird, benutzt man bei uns Quellwasser aus dem Gebirge. Bei uns ist es Brauch, dass den Gästen als erstes ein Willkommensschnaps angeboten wird. Dazu wird meist ein Salat gegessen. Erst danach fragt man, warum er gekommen ist. Wenn der Gast dann geht, schenken wir ihm eine geräucherte Speckschwarte und ein Fläschchen Schnaps, damit er den Besuch auch im Gedächtnis behält, wenn er nachhause geht.“
Im Aprilzi gibt es keine Bürger, die übermäßig Schnaps trinken. Alle brennen ihren eigenen Schnaps und das ist eher ein Hobby. „Der hauseigene Schnaps ist der Stolz des Hausherren“, sagt man in Aprilzi. An diesem Brauch wird bis heute festgehalten, auch wenn sich die Gesetze geändert haben und den Menschen nun weniger einleuchtend erscheinen.
„Früher gab es im Gemeindeamt eine Steuerabteilung“, erinnert sich Dontscho Patschnikow. „Jeder ging dorthin und ließ sich einschreiben. Je nach angegebener Schnapsmenge wurde eine Steuer bezahlt und der Fiskus konnte jeder Zeit Kontrollen durchführen. Heute kassiert keiner die Akzisen ein, unter dem Vorwand, dass die Mengen an selbstgebrannten Schnaps nicht ermittelt werden können. Gleichzeitig damit drohen aber Strafen, wenn man zuhause Schnaps brennt.“
Die Bürger von Aprilzi werden das Schnapsbrennen nie lassen. Der Schnaps „wärme“ ihrer Ansicht nach die Beziehungen, führe die Menschen zusammen und sei ein guter Grund für neue Kontakte und Freundschaften. „Die Tradition ist eisern und wir in jedem Haus in Aprilzi gewahrt – der Schnaps ist zu einem Symbol unserer Gastfreundschaft geworden“, sagt Denitza Nikolowa, die das Volksfest organisiert.
„Unser Fest steht unter dem Motto: „Kehren wir dem materiellen Alltag den Rücken und tauchen wir ein, in den Geist der Menschlichkeit!“, sagt weiter Nikolowa. „Es ist ein Fest der Traditionen und daher ziehen viele an diesem Tag alte Trachten an. Es kommen auch Menschen aus anderen Teilen des Landes – ebenfalls in Trachten. Das sorgt zusätzlich für Stimmung. In den vergangenen Monaten bekamen wir viele Anfragen von Reiseveranstaltern. Zuerst waren wir ein wenig erschrocken, als so viele Menschen in unsere kleine Stadt kamen. Doch dann wurde es ein wirklich schönes ungezwungenes Fest, das allen, Einheimischen wie auch Gästen große Freude bereitet hat.“
Übersetzung: Wladimir Wladimirow
Fotos: BTA
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