Vor drei Monaten noch ging Premier Borissow von 4,5 Prozent Wirtschaftswachstum aus. Kurz darauf veröffentlichte das Nationale Statistikamt die endgültigen Angaben über das BIP-Wachstum 2015. Sie belegen ein Wachstum von 3 Prozent, das sich durchaus sehen lassen kann, aber weit unter den von Borissow erträumten Werten liegt. Nun hat das bulgarische Finanzministerium seine aktualisierte makroökonomische Prognose für die Zeitspanne 2015-2017 veröffentlicht und dort ist keine Spur vom Optimismus unseres Regierungschefs zu sehen.
Wie sich herausstellt, gehört der Boom der Vergangenheit an. Nun müssen wir damit rechnen, dass das Wirtschaftswachstum auf 2 Prozent oder sogar darunter sinkt. Das klingt nicht gerade tröstlich, da Bulgarien als ärmstes EU-Land weit hinter den anderen zurückhinkt und aufholen muss. In absehbarer Zukunft wird das aber mit diesem schleppenden Wachstumstempo bestimmt nicht passieren. Ergo sind die jetzige und die künftigen Generationen in unserem Land zu Armut und materiellen Entbehrungenverurteilt.
Einen kleinen Hoffnungsschimmer birgt die eingeplante leichte Anhebung der Renten und des Mindestlohns. Geplant ist allerdings eine Erhöhung der Renten um 1 bis 3 Prozent jährlich und des Mindestlohns um etwa 10 Prozent. Unter diesen Umständen werden die Senioren, die mit einer Monatsrente 150 Euro in Misere leben, nicht gerade Freudensprünge vollbringen, genausowenig wie die niedrigqualifizierten Arbeiter, die einen Mindestlohn von umgerechnet ca. 200 Euro beziehen.
Die neue Dreijahresprognose des Finanzministeriums hält aber solche aus makroökonomischer Sicht unwesentliche Kennziffern nicht weiter fest, sondern operiert mit Begriffen wie Budgetdefizit, Inflation, Fiskalreserven, Außenschulden etc. Es fällt ins Auge, dass sich die Erwartungen in Maßen halten und die Experten weder mit spektakulären Erfolgen noch mit schrecklichen Desastern rechnen.
„Wir werden weiterhin am Boden krauchen“, lautete das sarkastische Resümee eines regierungskritischen Beobachters. Das Haushaltsdefizit wird jährlich um 0,5 Prozent sinken, die Inflation wird so gut wie unsichtbar sein, die Arbeitslosigkeit – erträglich und keine Risiken vor sozialen Problemen bergen.
Auch die Europäische Kommission bestätigt die zurückhaltenden Prognosen des bulgarischen Finanzministeriums, die wahrscheinlich unter Mitwirkung von Experten auf Brüssel aufgestellt wurden. All das zeugt davon, dass diese Prognosen weitaus realistischer sind als die von Premier Bojko Borissow ersehnten 4,5 Prozent BIP-Wachstum.
Nicht dass es nicht besser geht. Ganz im Gegenteil – Bulgarien verfügt über etliche nicht oder unzureichend genutzte Vorteile in Sachen Wirtschaft und Unternehmertum. Unser Land hat hervorragende Ingenieure und Internet-Experten, die bulgarischen Softwarefirmen zählen zu den weltweit besten Start-Up-Unternehmen, die Automobilindustrie boomt, die Tourismusbranche hat sich erholt und rechnet mit rekordverdächtigen Einnahmen, die Landwirtschaft kann auf ein enormes Biopotential zurückgreifen etc. An dieser Stelle wären also ein bisschen positives Denken und Optimismus durchaus angebracht, denn gute Ideen bauen darauf auf.
Übersetzung: Rossiza Radulowa
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