Die Herausforderungen vor dem Beitritt Bulgariens zur Eurozone standen im Fokus des Bulgarischen Wirtschaftsforums 2016, das in Sofia durchgeführt wurde. Für hitzige Diskussionen sorgte die Frage, warum Bulgarien der Beitritt zum Wechselkursmechanismus verwehrt wird, der einer Angliederung an die Eurozone vorangeht. Worten des Wirtschaftswissenschaftlers Georgi Ganew zufolge müssten zuerst die internen Probleme innerhalb der europäischen Währungsunion gelöst werden, bevor dort neue Mitglieder zugelassen werden.
Formell gesehen hat Bulgarien sämtliche Wirtschaftskriterien für die Einführung des Euro bereits erfüllt. Der Aufenthalt im Wechselkursmechanismus ERM-II dauert mindestens zwei Jahre. Georgi Ganew rechnet nicht mit einer drastischen Preiserhöhung nach der Einführung des Euro in Bulgarien. Die Teilnehmer am Forum waren sich einig, dass Bulgarien ungleichwertig behandelt wird, da man Diskussionen über seinen Beitritt zum Wechselkursmechanismus meidet.
„Der Beitritt zur Eurozone würde sich positiv auf die Kredite für bulgarische Unternehmer, Haushalte und Firmen auswirken und den Austausch mit Partnern aus der Eurozone intensivieren“, meint der Wirtschaftsexperte Georgi Ganew. „Die Geschäftskosten und die Devisenrisiken bei ausländischen Firmen würden sinken, ein Währungsumstieg würde sich erübrigen. Bulgarien hätte Zugang zu einem unbegrenzten Kreditgeber aus letzter Instanz. Zu den Nachteilen, die der Beitritt zur Eurozone birgt, gehört der Verlust einer eigenständigen Geldpolitik. Bulgarien ist aber davor gefeit, da wir bereits an die Eurozone gebunden sind. Eine weitere Schattenseite ist die Co-Finanzierung von Krisenlagen in anderen Mitgliedsländern der Eurozone. Es besteht auch die Gefahr, dass das Land in eine Schuldenspirale gerät, da sich Haushalte, Unternehmen und Regierung dazu verleiten lassen könnten, neue Kredite aufzunehmen, da diese günstiger wären. In diese Falle sind beispielsweise Griechenland, Portugal und Spanien getappt. Ich persönlich sehe das aber nicht als Manko an, da die höhere Kreditierung bulgarischer Haushalte und Firmen nichts Schlechtes an sich ist, solange sie vernünftig gemanagt wird. Wir sehen aber, dass sich das Finanzministerium und die BNB weigern, die Frage über den Beitritt Bulgariens zur Eurozone öffentlich zu diskutieren“, sagt der Wirtschaftswissenschaftler Georgi Ganew.
Nach Meinung des Vorsitzenden des Bulgarischen Wirtschaftsforums Georgi Tabakow birgt der Beitritt Bulgariens zur Eurozone mehr Vorteile als Nachteile. Deshalb sei die Zeit jetzt günstig, einen entscheidenden Schritt in diese Richtung zu tun. In der Eurozone müssten Kreditnehmer zwei bis drei Mal weniger für ihre Kredite zahlen als das die Bulgaren momentan wegen dem Währungsrat tun. Die größten Risiken für die Konjunktur Europas und für die Währungsunion sieht Tabakow in der Instabilität und im Populismus.
In Rundtischgesprächen wurden auch die Auswirkungen des bulgarischen Beitritts zur Eurozone erörtert, speziell in puncto öffentliche Finanzen, Finanzsektor, Preisbildung, Haushalte, Arbeitsmarkt, Direktinvestitionen, Tourismus, Energiewirtschaft, Importe und Exporte. Dabei wurden die Erfahrungen Lettlands, Litauens und der Slowakei diskutiert. Drei Wirtschaftsexperten aus diesen Ländern – Andis Vilks aus Lettland, Gediminas Schimkus aus Litauen und Igor Barat aus der Slowakei waren sich einig, dass die Bevölkerung den Umstieg zum Euro befürworten muss, andernfalls könne Bulgarien den Gegenwinden nicht trotzen. Nach Ansicht dieser Experten setzt der Beitritt zur Eurozone an erster Stelle politische Stabilität, eine starke Aufklärungskampagne und die Vorbereitung der Geschäftswelt und des Bankensektors darauf voraus. Die Vertreter der besagten drei Länder sprachen sich für den Beitritt zur Eurozone aus.
Während des Bulgarischen Wirtschaftsforums wurde auch das Businessklima für kleine und mittelständische Unternehmen in Bulgarien besprochen sowie die Möglichkeiten für Entwicklung, Kreditierung, Finanzierung, Import und Export.
Übersetzung: Rossiza Radulowa
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