Laut den Vorstellungen unserer Vorfahren begab sich am heutigen Tage der Kriegerheilige namens Theodor (bulg. Todor) hoch zu Ross zu Gott, um von ihm den Sommer zu erbitten. Als er bei Ihm ankam, stieß er seinen Speer in den Boden und band daran sein weißes Pferd an. Gott konnte diesem Heiligen seinen Wunsch nicht abschlagen und sandte den Sommer auf die Erde, die dieser auf seinem langen Weg langsam zu erwärmen begann. An jener Stelle, an der der Heilige seinen Speer in den Boden gestoßen hatte, erwärmte es sich am schnellsten und es stiegen sogar Dampfschwaden auf. Die alten Bulgaren waren sogar davon überzeugt, dass ab dem Fest des heiligen Theodor, die Tage spürbarer länger werden. Das war natürlich ein Grund zu feiern, obwohl dieser Festtag in die große Fastenzeit vor Ostern fällt. Er gehört übrigens zu den beweglichen Feiertagen und findet stets am ersten Samstag nach dem Käsefastensonntag statt, der den Beginn der Fast markierte. Der heilige Theodor erschien den Bulgaren derart wichtig, zumal er ja die warme Jahreszeit von Gott erbat, dass ihm zu Ehren viel gesungen wurde – eine große Ausnahme während der Fastenzeit.
In einigen der Volkslieder, die dem heiligen Theodor gewidmet sind, wird erzählt, dass er sein Pferd neu beschlägt, um sich die Felder zu beschauen. Seine Schwester würde ihm goldene Nägel und silberne Hufeisen reichen.
An diesem Tag wird den Pferden eine besondere Beachtung geschenkt. Es gibt noch etliche Orte in Bulgarien, in denen es Brauch ist, dass die Frauen zum Fest spezielle Brote in Form von Pferden oder Hufeisen backen. Auch ist es üblich, gekochten Mais, Weizen oder Erbsen an Verwandte und Bekannte zu verteilen. Früher imitierten die Frauen sogar die Bewegungen der Pferde und schnaubten und wieherten auf dem Weg dorthin. Das sollte Fruchtbarkeit, sowohl den Menschen, als auch den Tieren und speziell den Pferden bescheren.
Noch bis Anfang des 20. Jahrhunderts war es in einem Dorf bei Smoljan in Südbulgarien Brauch, am Tag vor dem Theodor-Samstag Erbsen in einen Teller zu geben, mit Wasser zu begießen und vor die Hausikone zu stellen. Nach dem Gottesdienst am Tag des heiligen Theodor gingen die Frauen mit angezündeten Kerzen nach Hause, nahmen den Teller mit den Erbsen, woraufhin alle Bewohner des Hauses einige davon essen mussten. Die Hausfrau nahm ihrerseits eine Handvoll Erbsen und warf sie im Hof in die Höhe – diese waren für alle Tiere des Bauernhofes bestimmt. Die Kinder ihrerseits sammelten die Erbsen auf und fädelten sie zu Ketten – die Jungs trugen sie auf ihren Pelzmützen, während die Mädchen sie ans Handgelenk oder um den Hals banden. Diese Erbsen-Ketten wurden den ganzen Tag getragen.
In der Region um Sofia hingegen brachte man gekochten Mais in die Kirche, wo er vom Priester gesegnet wurde. Zu Hause wurde davon auf den Boden geworfen und die Kinder sammelten die Körner auf. Dieser Brauch sollte den Pferden Gesundheit bescheren.
Die Woche vor dem Fest des heiligen Theodor wurde streng gefastet, während die Frauen speziell keine Handarbeiten, wie Nähen, Stricken, Sticken und dergleichen verrichten durften.„In neuer Tracht und satten Pferden“ (wie es in einem der Gesänge heißt) begaben sich die jungen Männer zu den Pferderennen anlässlich des Tages des heiligen Theodor. An diesen beteiligten sich der Tradition nach hauptsächlich jungverheiratete Männer und seltener unverheiratete Burschen. Die Teilnahme für sie war Pflicht, vorausgesetzt sie besaßen bereits ein eigenes Pferd. Die Pferde wurden speziell mit Kränzen aus Waldstorchschnabel und Nieswurz geschmückt. Bis heute werden auf dem Weg zum Rennplatz spezielle Lieder gesungen und Melodien gespielt – alles ähnelt einer festlichen Prozession. Nach dem Rennen geht es ebenso feierlich nach Hause, wobei das Siegerpferd den Zug anführt. Früher tanzten die Mädchen und Buschen einen großen Reigen um die Pferde und Reiter des Rennens. Das Fest endete dann mit einem Essen im Hof des Siegers. Der Brauch der Pferderennen wird vielerorts bis heute gepflegt und landläufig bezeichnet man den Tag des heiligen Theodor als „Pferde-Ostern“.
Übersetzung: Wladimir Wladimirow
Fotos: BGNES
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