„Wächst, aber altert nicht“ – die Devise der bulgarischen Hauptstadt trifft gleichermaßen auch auf die Sofioter Stadtbibliothek zu. In diesem Jahr begeht sie ihr 90jähriges Bestehen und wurde seit Januar bereits von über 50.000 Lesern besucht. In den letzten Jahren ist ein nachhaltiger Trend erkennbar: Mehr als die Hälfte der Leser sind junge Menschen.
Der 24. Oktober 1928 gilt als die Geburtsstunde der Sofioter Stadtbibliothek. Auf Anordnung des damaligen Bürgermeisters Wladimir Wasow wurde ein Gemeindemuseum geschaffen, das aus drei Abteilungen bestand: Museum, Bibliothek und Archiv. Die Bibliothek fußt aber auf Traditionen. Sofia blieb hinter dem geistigen Erwachen unseres Volkes während der Wiedergeburtszeit nicht nach. Bereits 1867, während der türkischen Fremdherrschaft, wurde das erste Volkskulturhaus mit einer Bibliothek eingerichtet. Unterstützt wurde diese Einrichtung vom namhaften Unternehmer und Stifter Iwan Denkoglu, der neun Jahre zuvor die erste Mädchenschule in Sofia gegründet hatte. Kurz nach der Befreiung Bulgariens 1878 wurde auch die heutige Nationalbibliothek „Kyrill und Method“ eingerichtet.
Die Geschichte der Sofioter Stadtbibliothek ist nicht nur lang, sondern auch voller interessanter und oft auch dramatischer Fakten. Die Gemeinde ließ für die Bibliothek ein herrliches Gebäude auf dem Banski-Platz unweit des Sofioter Mineralbades bauen. Dieses Gebäude wurde aber beim verheerenden Bombenangriff am 30. März 1944 durch Brandbomben zerstört.
„Die größte öffentliche Bibliothek, die Sofioter Stadtbibliothek, begeht ihr 90jähriges Bestehen - mit über 1 Million Bänden, über 50.000 Lesern und 450.000 ausgeliehenen Büchern, über 500.000 Besuchern. Sie blickt auf eine reiche Geschichte zurück, die wir in Fotoausstellungen, Büchern und Konferenzen präsentieren werden“, sagte bei der Eröffnung der Exposition Julia Zinsowa.
Die Bibliothek verfügt auch über 250.000 fremdsprachige Ausgaben. Sie wartet mit einer Amerikanischen Lesestube, einer koreanischen Ecke, einem großen Lesesaal für skandinavische Literatur und einem Russischen Zentrum auf. Im Rahmen der Feierlichkeiten zum 90. Jubiläum der Sofioter Stadtbibliothek wurde in der Amerikanischen Lesestube der 11. Sofioter Herbstsalon für Poesie veranstaltet. Und es fand auch ein Nationales Illustrationsbiennale statt.
Zu den interessantesten Events gehört die Ausstellung „Das Schicksal der Bücher“. „Wir stellen Bücher mit einer bewegten und interessanten Geschichte vor“, sagt Anna Anastassowa, Leiterin der Abteilung „Heimatkunde und Literaturerbe“. Genau wie wir Menschen, haben die Bücher auch unterschiedliche Schicksale. Es werden wertvolle Exemplare gezeigt, die von namhaften Persönlichkeiten gestiftet wurden oder solche, die den Brand 1944 überstanden haben. Aber auch Bücher, die bei unterschiedlichen Regimes verboten waren und vor der Vernichtung gerettet werden konnten (indem sie diskret in den Fonds der Bibliothek aufbewahrt wurden, ohne offiziell in den Kartotheken zu „existieren“.) Und viele andere mehr.
Das älteste Buch in den Bibliothekfonds ist „Das Königreich der Slawen“ von Mavro Orbini (1601). Es gehört zu den Quellen, auf die sich der Mönch Paissij von Hilandar beim Schreiben der „Slavo-bulgarischen Geschichte“ gestützt hat. Paissij von Hilandar ist einer der ersten Aktivisten der Bulgarischen Nationalen Wiedergeburt und der erste Historiker aus dieser Epoche.
Die Sofioter Stadtbibliothek besitzt aber nicht nur wertvolle „klassische“ Ausgaben auf Papier, sondern schreitet auch auf dem Weg der modernen Technologien voran. „Die Bibliothek verfügt über das größte Digitalzentrum unter allen Kulturinstituten in Sofia und vielleicht auch in ganz Bulgarien“, betonte Julia Zinsowa.
Übersetzung: Rossiza Radulowa
Fotos: Weneta Pawlowa und Sofioter Stadtbibliothek
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