Die westbulgarische Stadt Samokow blickt auf eine reiche Geschichte zurück, die etliche kulturelle Zeugnisse hinterlassen hat. Bereits bei ihrer Gründung im Mittelalter entwickelte sich die Stadt als ein multikulturelles Zentrum von Handel und Handwerk, in dem aber auch Kunst und Kultur florierten. Zu den bemerkenswerten Bauten von Samokow gehört die Bayraklı-Moschee. Sie wurde im 16. Jahrhundert errichtet, erhielt jedoch ihr heutiges Aussehen im Jahre 1845 auf Veranlassung von Hüsrev Mehmed Pascha.
Über die Baugeschichte sind jedoch wenige Dokumente erhalten. Einzig in den Archiven des Malers Christo Jowewitsch, der mit der Ausmalung des Bauwerks beauftragt worden war, finden sich einige Anmerkungen und Skizzen zur dekorativen Ausgestaltung der Mosche. Architektonisch folgt der Bau den osmanischen Traditionen: es handelt sich um eine nahezu quadratische Anlage, die auf die heiligen Stätten Mekka und Medina ausgerichtet ist und im Inneren eine besonders gestaltete Gebetsnische (Mihrāb) besitzt. Untersuchungen am Mauerwerk belegen, dass das Bauwerk von bulgarischen Bauhandwerkern ausgeführt worden ist. Die Malerei selbst stammt von örtlichen Malern.
Der Direktor des Geschichtsmuseums von Samokow, Wesselin Hadschiangelow, teilte uns Einzelheiten mit:
„Die Erbauer haben ihr ganzes handwerkliches Können gezeigt und bleibende Spuren hinterlassen. In den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurden von Georgi Belstojnew aus Samokow, der zu den Besten seines Faches gehört, Restaurierungsarbeiten vorgenommen. Dabei wurden zwei Skizzen entdeckt, die die Maler direkt auf den Putz angebracht hatten, auf dem sie dann die Ausmalung vornahmen. Im südöstlichen Teil skizzierten sie den Grundriss einer Kirche, die stark an die Hauptkirche des Rila-Klosters erinnert. Viele Forscher, einschließlich der Kunstwissenschaftlerin Anna Roschkowska, gehen davon aus, dass die Meister, die die Kirche des Rila-Klosters nach dem großen Brand von 1833 errichtet haben, später auch die Bayraklı-Moschee bauten. Die zweite entdeckte Skizze, die sich im Nordwesten befindet, nennt die Namen Iwan, Risto und Kosta. Es handelt sich dabei um Maler aus Samokow: Iwan Ikonopisetz, Christo Jowewitsch und Kosta Waljow, die aller Wahrscheinlichkeit nach, die reiche Ausmalung der Moschee vorgenommen haben.“
Hat ihr eigentlicher Beruf als christliche Ikonenmaler in den Malereien im moslemischen Gotteshaus einen Niederschlag gefunden, fragten wir den Museumsdirektor:
„Gerade das hebt dieses moslemische Denkmal von allen anderen dieser Art ab“, ist Wesselin Hadschiangelow überzeugt. „In dieser Moschee ist die Dekoration üppig. Es handelt sich um barockhafte Ornamente, wie sie in den öffentlichen Gebäuden Mittel- und Osteuropas typisch waren. In den floralen Ornamenten kann man gut versteckte Kreuze entdecken, die die christliche Herkunft der Maler bezeugen. Auch fällt der Davids-Stern im Zentrum der Kuppel auf. Seine Anwesenheit in einem moslemischen Gebetshaus wird damit erklärt, dass es sich bei dem sechsstrahligen Stern um ein altes Sonnensymbol handelt, das einst bei der Gestaltung der verschiedensten Kultstätten verwendet wurde. Es besteht also keine versteckte Verbindung zwischen Judaismus und Islam.“
Kann man von einem gemeinsamen künstlerischen Geschmack der verschiedenen Religionen, speziell der christlichen und der moslemischen Religion sprechen?
„Höchst wahrscheinlich ja“, sagt der Historiker Wesselin Hadschiangelow. „In der Spätzeit des Osmanischen Reiches öffneten sich die Grenzen; die Menschen hatten die Möglichkeit, in der Welt umherzureisen. Die Kontakte und Kulturbeziehungen mit den reicheren christlichen Ländern übten mittels ihren künstlerischen Errungenschaften einen Einfluss aus. Als Hüsrev Mehmed Pascha zur Einweihung der Moschee nach Samiokow kam, waren die moslemischen Geistlichen von der Ausschmückung der Moschee überrascht und sogar geradezu empört, weil sie ihren Vorstellungen von der Ausmalung eines Gebäudes für moslemische Gebete widersprach. Sie verlangten, dass die Malereien beseitigt werden, da sie von Ungläubigen (sprich Christen) angefertigt worden sind und noch dazu weltlichen Charakter tragen. Die Schönheit der Malereien habe jedoch Hüsrev Mehmed Pascha derart beeindruckt, dass er diesen Vorschlag abgelehnte. Er war ein hoch gebildeter Mann, der eine bedeutende diplomatische und militärische Karriere gemacht hatte. Er stimmte einzig zu, dass die Malereien in der Gebetsnische übertüncht werden, die Ansichten von Moscheen in Mekka und Medina zeigten. Diese Darstellungen konnten im Zuge der Restaurierungsarbeiten freigelegt werden. Es ist also eine Kontinuität vorhanden, denn die Häuser reicher Christen, wie auch Moslems wurden reich mit gemalten Ornamenten ausgeschmückt.“
Nach der Restaurierung der Bayraklı-Moschee entschied man, sie für Ausstellungen osmanischen Kulturerbes zu verwenden. „Wir dürfen nicht vergessen, dass es eine wichtige Rolle im Leben und der Kultur Bulgariens spielt“, sagte abschießend Wesselin Hadschiangelow, Direktor des Geschichtsmuseums von Samokow.
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
Fotos: bg.wikipedia.org, samokov.info, bgglobe.net
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