Eheverträge sind etwas Neues in der bulgarischen Gesetzgebung. Erst mit Inkrafttreten des neuen Familiengesetzbuches am 1. Oktober 2009 besteht die Möglichkeit, solche Verträge abzuschließen. Bis dahin galt allgemein die Regel, dass jegliches Eigentum, das während der Ehe erworben wurde, beiden Ehepartnern gehört.
„Der Ehevertrag gibt dem Paar vor und während der Ehe die Möglichkeit, alle Eigentumsangelegenheiten während sowie bei einer Scheidung zu klären“, erläuterte uns Julita Jankowa, Rechtsberaterin der Rechtsanwaltschaft. „Auf diese Weise wird die Form der Vermögensverwaltung festgelegt und vor allem wie die Aufteilung des Vermögens nach einer eventuellen Auflösung der Ehe geschehen soll. So lassen sich langwierige und schwere Gerichtsverfahren zur Gütertrennung und damit Spannungen und Streitigkeiten zwischen beiden Parteien vermeiden und nicht an letzter Stelle die dafür notwendigen Kosten sparen.“
Laut Register wurden in Bulgarien in den Jahren zwischen 2009 und 2018 insgesamt 4.526 Eheverträge abgeschlossen, allein im vergangenen Jahr seien es 943 gewesen, 317 mehr, als im Jahr zuvor. Zum Vergleich: in Bulgarien werden jährlich rund 26.000 Ehen geschlossen. Was veranlasst die Menschen, einen Ehevertrag aufzusetzen?
„Einer der Gründe ist die erhöhte allgemeine und konkret Finanzkultur der Bürger“, meint Julita Jankowa. „Die Menschen denken immer mehr darüber nach, wie sie ihr Eigentum schützen können. Damit gehen die Scheidungen schnell und problemlos vor sich; auch sinkt der gesellschaftliche Druck auf das sich in Scheidung befindliche Paar. Es ist normal, dass sich die Menschen vordem über die Folgen einer Scheidung Gedanken machen.“
Wie nicht anders zu erwarten, werden die meisten Eheverträge in den Großstädten des Landes – Sofia, Warna, Plowdiw, Burgas und Plewen abgeschlossen. Es gibt keinen besonders geeigneten Zeitpunkt zum Abschluss eines solchen Vertrages. Die Rechtsberater empfehlen, dass es unmittelbar nach der Eheschließung geschehen soll, denn dann herrsche mehr Klarheit über die Eigentumsverhältnisse der Eheleute und was sie gemeinsam erwirtschaften werden. Auf gegenseitiges Einvernehmen hin kann der Ehevertrag zu jeder Zeit abgeändert werden und wird mit der Scheidung aufgelöst. Laut Julita Jankowa gibt es kein spezielles Profil der Menschen, die einen Ehevertrag abschließen:
„Meist sind es Personen, die während der Ehe ein bestimmtes Eigentum erworben haben und es auf irgendeine Weise unter sich aufteilen wollen. Falls ein Ehevertrag vor Antritt der Ehe geschlossen wird, handelt es sich meist um Menschen reiferen Alters, die selbständig sind oder ein gewisses persönliches Eigentum angehäuft haben. Junge Menschen, die zum ersten Mal heiraten, schließen seltener Eheverträge ab, weil sie ihre Eigentumsverhältnisse noch nicht überschauen können. Vielleicht ist bei ihnen auch die Romantik stärker ausgeprägt. Recht populär ist der Abschluss von Eheverträgen zwischen Menschen verschiedener Nationalität, damit etwaige Wiedersprüche in den Gesetzen beider Länder vermieden werden“, erklärt die Rechtsberaterin.
Die Eheverträge werden zunehmend populärer; es gibt aber trotzdem einige Vorurteile:
„Einer der Irrtümer ist, dass beim Ehevertrag die Liebe zwischen den Ehepartnern von den materiellen Interessen verdrängt werde, so dass Geld und Eigentum über Liebe und Geist gestellt werden“, sagt Julita Jankowa. „Meiner Ansicht nach ist es jedoch genau umgekehrt: Der Ehevertrag ist ein Ausdruck der Achtung zwischen den Eheleuten und eine Möglichkeit, Fragen zu lösen, die zwangläufig während der Ehe auftauchen oder spätestens bei einer Scheidung.“
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
Foto: Privatarchiv
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