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Viktoria Popova: Übersetzen ist auch eine Kunst

Eine Übersetzerin und ihre Mission, das Interesse an bulgarischer Literatur im deutschsprachigen Raum zu wecken

Viktoria Popova mit Kalin Terzijski und bei einer der Präsentationen des Romans „Wahnsinn“ in Zürich. Fotos: Privatarchiv

„Ich wurde in Sofia geboren. Als ich 11 Jahre alt war, „emigrierte mich“ meine Mutter in die Schweiz und seitdem lebe ich in Zürich“, stellte sich mit wenigen Worten Viktoria Popova vor, die im Februar dieses Jahres für ihre Übersetzung des Romans „Wahnsinn“ von Kalin Terzijski aus dem Bulgarischen ins Deutsche den Conrad-Ferdinand-Meyer-Preis erhalten hat.

Dieser Kulturförderungspreis wird von der Conrad Ferdinand Meyer-Stiftung seit 1937 jährlich an bildende Künstler, Schriftsteller oder Wissenschaftler verliehen, die in irgendeiner engeren Beziehung zum Kanton Zürich stehen. Der erste Preisträger war der Schweizer Schriftsteller Max Frisch. In der 82jährigen Geschichte des Preises, gehört Viktoria Popova zu den wenigen Frauen, denen er zuerkannt wurde und mit Sicherheit die einzige Bulgarin, die ihn erhalten hat. Auch wurde der Preis zum ersten Mal für eine Übersetzung verliehen. Auf der Preisverleihung war der Schriftsteller Kalin Terzijski anwesend.

Es war sehr aufregend“, gestand Viktoria. „Veranstaltet wurde auch eine Lesung, auf der wir zusammen Ausschnitte aus den Romanen „Wahnsinn“ und „Alkohol“ vorstellten.

Wenn sich Viktoria Popova in ihrer Heimat Bulgarien aufhält, schreibt sie gern in ihrer Muttersprache Bulgarisch. In der Schweiz musste sie gleich mehrere Sprachen lernen, die dort üblich sind, zudem auch die örtliche Mundsprache und natürlich Englisch:

Es war für mich ein großer Schock“, erinnert sie sich. „Am Anfang wusste ich nicht, wo ich war und konnte mich nicht verständlich machen. Ich habe meine Muttersprache für etwa 10 Jahre „verlassen“, sie war aber immer in mir. Das bin ich – mit beiden Sprachen. Es wird mir immer deutlicher bewusst, dass ich schon immer auf beiden Sprachen schreiben wollte. Das ergibt sich zum Teil durch die Übersetzertätigkeit, so wie ich sie begreife. Nie habe ich gedacht, dass aus mir eine Übersetzerin werden wird. Ich habe Germanistik und Komparatistik studiert – das ist eine Wissenschaft, die die Beziehungen zwischen den Sprachen und der Literatur über die nationalen Grenzen hinaus betrachtet. Schon immer hatte ich einen Hang für verschiedene Künste; ich habe als Dramaturgin und Zweitregisseurin an einem Theater gearbeitet.
Als ich einige Texte von Kalin Terzijski las, war ich tief erschüttert. Mir wurde bewusst, dass einige Werke zeitgenössischer bulgarischer Autoren in Kontakt mit anderen Literaturtraditionen kommen müssen und da begann ich zu übersetzen. Neben den ersten zwei Romanen dieses Schriftstellers habe ich ferner „Verfall“ – ein Band mit Erzählungen von Vassil Georgiev, „Elada Pinjo und die Zeit“ – der erste Roman von Kerana Angelova sowie „Luizza Hut“ von Toma Markov übersetzt. Die fünf Bücher, die ich bisher ins Deutsche übertragen habe, gehören der „Bulgarischen Reihe“ des Verlags Ink Press in Zürich an.
Ich bin der Ansicht, dass die Übersetzungen bulgarischer Werke in einer Reihe erscheinen müssen, damit eine Grundlage für deren Popularisierung geschaffen wird. Ich visiere Autoren an, die in Bulgarien leben und nur auf Bulgarisch schreiben – das ist für mich das wichtigste Kriterium. Ich wende mich Werken zu, die mich von der Form und der Sprache her interessieren, sich im bulgarischen Kontext hervorheben und auch ins Deutsche übertragen beeindrucken, weil sie ganz verschieden sind. Mir ist wichtig, welche Wirkung sie in Ländern, wie Deutschland, Österreich, der Schweiz und Liechtenstein haben können. Bislang sind sie in der Presse und den elektronischen Medien sehr gut angekommen. Selbst Journalisten, die für gewöhnlich über Musik schreiben, übertreten die Grenze ihres Fachgebiets und verfassen Rezensionen zu diesen Büchern. Mich interessiert genau solche Literatur, wie auch furchtlose Menschen, mit denen ich zusammenarbeiten kann.
Die Übersetzertätigkeit ist keine leichte Arbeit; die Verantwortung ist riesen groß. Ich bin jedoch der Meinung, dass die Übersetzung kein „Diener“ der Literatur ist, sondern Teil von ihr. Es handelt sich ebenfalls um Kunst. So wie der Schriftsteller frei schreibt, übersetzt auch der Übersetzer frei. Das heißt aber nicht, dass es keine Kriterien gibt – ich kann alles erklären, warum ich es so gemacht habe und nicht anders.
In der Schweiz setzt sich keiner mit bulgarischer Literatur auseinander. Es gibt keine Studienrichtung „Bulgaristik“ und innerhalb der „Slawischen Philologie“ wird kein Bulgarisch angeboten. Keiner weiß etwas über unsere Literatur, Kunst und Sprache. Aus diesem Grund habe ich mich voll und ganz der Übersetzertätigkeit verschrieben und mir das grundlegende Ziel gestellt, das Interesse an der bulgarischen Literatur zu wecken
.“

Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow



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