Werka Siderowa – eine Sängerin mit einer warmen und angenehmen Stimme, hat mit ihren Interpretationen von Volksliedern, wie „Bist du eine Tulpe, oder Hyazinthe?“, „Die Jahre vergehen“ und „Der Mond ist aufgegangen“ wahre Kunstwerke hinterlassen, die auch heute noch die Menschen berühren. Am heutigen Tage begeht die Sängerin ihren 93. Geburtstag. Sie hat vor etlichen Jahren die Bühne für immer verlassen, hat sich aber ihr glänzendes Gedächtnis, wie auch ihren Sinn für Humor bewahrt. Sie ist rüstig und der Gesang nimmt in ihrem Leben weiterhin eine zentrale Stelle ein, auch wenn die Jahre an ihr nicht spurlos vorübergegangen sind:
„Jeden Tag verändert sich etwas und man weiß, wo das mal enden wird. Ich versuche, die Geisteskraft nicht zu verlieren und bringe mich selbst in Stimmung. Falls ich mich mal bedrückt fühlen sollte, stimme ich ein Lied an, manchmal sogar von den „gepfefferten“. Viele meinen, dass man das Leben satt hat, wenn man alt geworden ist. Mir hat es viel gegeben und ich bin Gott und meinen Eltern dafür dankbar. Es kommt aber einmal der Tag, da muss man alles zurückzahlen, was man bekommen hat und das geht solange, bis von einem nichts mehr übrig ist...
Ich lese viel – die Bücher sind meine Freunde. Auch löse ich viele Kreuzworträtsel, um den Verstand zu trainieren. Ich lebe allein, fühle mich jedoch nicht einsam. Ich bin glücklich, dass ich den Menschen etwas hinterlassen habe. Philipp Kutew, Gründer des Nationalen Folkloreensembles, schätzte einst meine Lieder sehr, weil ich sie zu einer Zeit gelernt habe, als die Dobrudscha noch zu Rumänien gehörte. Wir Bulgaren hielten damals zusammen und pflegten unsere Lieder und Traditionen. Erst später erfuhr ich, dass ich Bräuche weitergegeben habe, die in den anderen Teilen Bulgariens bereits verschwunden waren. Neben den Liedern habe ich in meiner Heimatregion eine solide Ausbildung erhalten. Ich habe das klassische Gymnasium in Dobritsch absolviert. Dort habe ich mehrere Sprachen gelernt. Einem meiner dortigen Lehrer – er hieß Kusmanow, bin ich ein Leben lang dankbar, weil er in mir die Liebe zur Sprache und zum Buch geweckt hat. Ich hoffe, dass das seine Nachkommen erfahren... Zur Sängerin hat mich Kutew erzogen. Er brachte uns bei, die wertvollsten Lieder auszusuchen und in den Inhalt der Texte einzudringen. Mit dem Ensemble sind wir viel gereist und haben viele Konzerte gegeben. Nie habe ich jungen Sängern oder deren Eltern die Hilfe verwehrt, die aus ihren Kindern Sänger machen wollten...
Viele Lieder habe ich nicht niederschreiben können; ich habe sie nicht einmal in Konzerten gesungen, kann sie aber alle noch auswendig – mein Gedächtnis ist noch gut. Einige Lieder habe ich Dobrin Dobrew (Koew) gegeben. Er ist ein begabter Sänger, dem ich beigebracht habe, die Lieder auf meine Art zu interpretieren. Gott hat ihm eine schöne Stimme geschenkt; ich habe ihm aber geholfen, seine Stimme zu vervollkommnen. Nun kann er ohne Lieder nicht mehr leben. Ich habe ihm das gegeben, was ich von den älteren Sängerinnen und Sängern, vor allem aber von Walkana Stojanowa gelernt habe, die in meinen Augen unter den Interpreten ganz oben steht. Auch Galja Durmuschlijska ist zu mir gekommen; auch ihr habe ich Lieder gegeben. Ein Leben allein reicht nicht aus, um all seine Arbeit auf Erden zu Ende zu bringen. Viele Lieder sind nicht wieder gesungen worden, die Jungen machen aber weiter. Ich bin glücklich, dass ich der goldenen Volksliedsängergeneration angehört habe, die die bulgarischen Volkslieder im In- und Ausland bekannt und beliebt gemacht haben.“
Werka Siderowa erinnert sich mit Dankbarkeit an ihre Arbeit am Bulgarischen Nationalen Rundfunk, in dem sie sich wie zu Hause gefühlt hat, als sie an den Aufnahmen ihrer Sololieder gearbeitet hat.
Noch heute führen Eltern ihre Kinder zu ihr, damit sie etwas von der Sängerin lernen können. Sie ist ihrerseits immer offen und sagt, ob das Kind die nötige Begabung besitzt, um ein Folkloreinterpret zu werden. Es kommen auch viele Freunde ihrer Lieder. Vor wenigen Tagen besuchte sie ein Aufnahmeteam und drehte einen Kurzfilm, an dem sich auch Dobrin Dobrew und Galja Durmuschlijska beteiligten. Das war für die greise Sängerin eine gute Gelegenheit, sich all der Auszeichnungen, die sie in ihrem Leben erhalten hat, wie auch der aufregendsten Augenblicke auf der Bühne, zu erinnern.
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
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