Ein Hobbyschnitzer jagt seinem Traum nach und schnitzt Jahr um Jahr unablässig die Bilder, die in seiner Vorstellung auftauchen – im Wettrennen mit seinem größten Feind, der Zeit. Als er sich am Ziel angekommen glaubt und es an der Zeit ist, sich seines Werks zu erfreuen, verlassen ihn die Lebenskräfte.
Marin Petkow hat sein ganzes Leben in seinem Heimatdorf Malak Porowetz in der Nähe der nordostbulgarischen Stadt Isperich verbracht. Einzig sein Beruf als Lieferant bedingte Reisen in verschiedene Orte Bulgariens, in denen ihn vor allem die alte Architektur der Wiedergeburtszeit beeindruckte. Besonders die Holzschnitzereien der Meister von damals entfachten in ihm den Wunsch, es ihnen gleich zu tun. Die letzten 16 Jahre seines Lebens spannte er das ihm von Gott gegebene Talent ein, um sein eigenes Haus in ein Meisterwerk der Holzschnitzerei zu verwandeln.
„Er war auf den ersten Blick ein ganz gewöhnlicher Mensch, der sein Leben in einem kleinen schmucken Dorf verbracht hat“, erzählte uns über Meister Marin die Hausherrin des Hauses Elena Simeonowa. „Er besaß jedoch eine überaus reiche Phantasie und zwei sehr geschickte Hände. Ihm hatte es das Werk der Holzschnitzer der bulgarischen Wiedergeburtszeit angetan. In seinem Haus hängt bis heute sein Meisterbrief als Tischler, den er 1948 erhalten hat. Was jedoch die Holzschnitzerei anbelangt, war er ein absoluter Laienkünstler. Er hat sich alles im Selbststudium angeeignet; er gehörte nicht zu jenen Menschen, die sich als Alleskönner betrachten. Marin Petkow hat sich Jahre lang vorbereitet und so ist in seinem Haus nichts zufällig entstanden – alles ist ein Ergebnis vollendeter Logik und Disziplin.“
In mühevoller Kleinarbeit gestaltete der Meister Möbel, Gardinenstangen, Decken, Täfelungen und Fenster- und Türrahmen und verzierte sie in verschiedenen Techniken. Über dem Eingang des Hauses ist die Aufschrift „Das Haus steht allen Besuchern offen“ zu lesen, denn er hat alles den Menschen hinterlassen, die an solchen Dingen Freude haben. Sein geistiges Vermächtnis ist eine Kopie des „Lebensrads“ von Sacharij Sograf.
„In diesem Werk ist die Botschaft des Meisters verschlüsselt; davon bin ich seit jenem Tag überzeugt, an dem ich das Lebensrad im Hof des Hauses zum ersten Mal erblickte“, erzählt Elena Simeonowa. „Er will uns damit sagen, dass wir uns an unserem Lebensabend bewusst werden müssen, was wir den künftigen Generationen hinterlassen werden, womit sie uns in Erinnerung behalten sollen.“
Den Hausaltar hat Marin Petkow besonders prächtig mit geschnitzten Ikonen und wundervollen Altartüren gestaltet. Mit der Szene der Geburt Christi und einer Neuinterpretation des „Abendmahls“ von Leonardo da Vinci wird auf den Anfang und das Ende des Erlösers hingewiesen.
Marin Petkow hat auch einige thematisch gestaltete Räume geschaffen. Darunter ist der sogenannte „Thronsaal“ mit einer großen Tafel, einem Wandschrank und natürlich einem Thron, zu dem ihn der Film über Simeon den Großen „Das goldene Jahrhundert“ inspiriert hatte. Auf der Decke im „Schwertsaal“ ist wiederum die Tapferkeitsmedaille wiedergegeben; damit würdigt der Schnitzer den Heldenmut der bulgarischen Soldaten. Im „Weißen Zimmer“ wiederum, das auf kindliche Weise hell und rein ist, sind auf der Holzdecke die 12 Apostel zu sehen.
„Marin Petkow hat sich stets den Herausforderungen gestellt“, sagt die Eigentümerin des Hauses, das sogenannte „arabische Zimmer“ anzuvisierend. „Er hat sich zwei Jahre auf die Gestaltung vorbereitet. Der Stil ist natürlich durch das Prisma der Wohnkultur der Bulgaren aus der Wiedergeburtszeit gebrochen. Der orientalische Einfluss ist jedoch allgegenwärtig. Für die Tischlerarbeiten hat Marin Petkow vier Arten Holz verwendet, die in Dunkelmahagoni – der in der arabischen Welt beliebten Farbe, gehalten sind.“
Marin Petkow beendete sein Werk an der Wende zum neuen Jahrhundert und verstarb kurz darauf. „Man sagt, dass die Seele eines Menschen in seinem Werk steckt“, erinnert Elena Simeonowa. Und tatsächlich ist die Seele des Meisters überall in dem von ihm geschaffenen Haus zu spüren, weil er ein Teil von ihr in jedem Detail eingearbeitet hat.
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
Fotos: Privatarchiv
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