Prähistorische anthropomorphe Plastiken, eine Grabbeigabe in Form eines Vogels, Goldschmuck, reich verzierte Tongefäße mit Vorläufern einer Schrift und viele andere interessante Objekte werfen mehr Licht in die Jahrtausende alte Geschichte unserer Region. Zu sehen sind die Artefakte in der jüngsten Ausstellung des Nationalen Archäologischen Museums der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften, in der die Ergebnisse des vergangenen Grabungssommers dem breiten Publikum vorgestellt werden – insgesamt etwas mehr als 350 Exponate, die bei 27 Grabungen ans Tageslicht gekommen sind.
Trotz des wegen der Corona-Pandemie verschobenen Starts der archäologischen Grabungssaison 2020 hat der Staat mehr als 100 Projekte finanziert. Darunter sind auch Rettungsgrabungen im Zuge des Baus von Autobahnen und anderer Verkehrsinfrastruktur sowie der Erweiterung des Gasnetzes in Bulgarien, bei denen bemerkenswerte Funde gemacht wurden. Einige der Objekte wiederum werden bereits seit Jahrzehnten archäologisch erforscht.
Die wohl interessantesten Entdeckungen stellte uns Dr. Kamen Bojadschiew vom Nationalen Archäologischen Institut und Museum der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften vor:
Münzschatz aus dem antiken Philippopolis, heute Plowdiw
Der Münzfund erzählt Einzelheiten aus der Geschichte der Stadt Philippopolis, wie in der Antike die heutige südbulgarische Stadt Plowdiw hieß. „Der Eigentümer der rund 600 Silbermünzen hatte seinen Schatz in aller Eile in seinem Haus vergraben, bevor es Mitte des 3. Jahrhunderts einem Überfall und einer Brandschatzung zum Opfer fiel. Die Münzen stammen aus der Zeit der römischen Kaiser Antoninus Pius (138-161) bis Philippus Arabs (244-249). Der Münzschatz kann mit den historischen Angaben über die Einfälle der Goten in Verbindung gebracht werden, die die Stadt in jener Zeit in Brand gesetzt haben.“
Luxus aus der römischen Stadt Ulpia Oescus
Das Römerkastell befindet sich unmittelbar am Donauufer in der Nähe des bulgarischen Dorfes Gigen. Die Archäologen stießen auf die Überreste einer reichen Wanddekoration eines repräsentativen Saals der einstigen römischen Siedlung, die zu den militärischen Stützpunkten entlang des Donaulimes gehörte. Zu ihrer Anfertigung wurden mehr als 14 verschiedenfarbige Marmorsorten verwendet. Alle Teile, darunter sehr dünne und in verschiedenen Formen geschliffene, wurden aufs Sorgfältigste bearbeitet. Der Prachtbau wird mit dem Besuch von Kaiser Konstantin des Großen (306-337) in dem Kastell in Verbindung gebracht, der am 5. Juli 328 der Eröffnung der neuen Donaubrücke beiwohnte. Sie galt übrigens bereits bei ihrer Einweihung als ein Meisterwerk römischer Ingenieurkunst und trug zu einer erneuten Blüte der Stadt bei.
Nekropole aus der späten Bronzezeit erzählt über alte Totenbräuche
Die spätbronzezeitliche Nekropole in der Nähe des Dorfes Balej bei Widin im äußersten Nordwestbulgarien wird in die zweite Hälfte des 2. vorchristlichen Jahrtausends datiert. „Das ist eine Zeit, die wir mit den Thrakern in Verbindung bringen können, weil aus dieser Epoche die ersten Spuren stammen, die wir über sie besitzen. Die Nekropole verrät die Pflege der damaligen Totenbräuche der Thraker, deren Vorstellungen und Ästhetik. Ans Tageslicht sind viele reich verzierte Tongegenstände gekommen. Sie dienten gleichzeitig als Grabbeigaben wie auch als Urnen in den Familiengrabstätten. Die Toten – jüngere, wie auch ältere Menschen, wurden nebeneinander beigesetzt“, erzählt Dr. Bojadschiew. Stark beeindruckt ein Gefäß, das die Form eines Vogels besitzt und einen reichen inkrustierten Schmuck aufweist.
Marschierende Krieger der altgriechischen Kolonie Apollonia
Das heutige Sosopol an der bulgarischen Schwarzmeerküste fußt auf den Überresten der altgriechischen Kolonie Apollonia. Bei Ausgrabungsarbeiten am Haupttempel der Stadt, der dem Gott Apollo geweiht war, wurden Keramikfragmente mit Reliefschmuck gefunden, der marschierende Krieger zeigt. Der Fund verdeutlicht die klassisch-griechischen Dekorationstendenzen jener Epoche.
Neue Geschichtszeugnisse aus dem mittelalterlichen Tarnowo
Bei den Ausgrabungen im Sommer des vergangenen Jahres stießen die Archäologen auf reichen Schmuck vom Ende des 14. Jahrhunderts. „Zum ersten Mal liegen archäologische Angaben darüber vor, dass der Trapesitza-Hügel sowie die anderen Teile der alten bulgarischen Reichshauptstadt Tarnowo auch nach der Einnahme durch die Osmanen bis zu Beginn des 15. Jahrhunderts bewohnt gewesen sind, was eine völlig neue Information ist“, erklärt der Chefarchäologe.
Rätsel der spätsteinzeitlichen Siedlung beim Dorf Bata
In der Region des Dorfes Bata, ca. 8 Kilometer südlich der Stadt Panagjurischte, kam ein seltener von Menschenhand bearbeiteter Gegenstand aus dem 6. bis 5. Jahrtausend vor Christus ans Tageslicht. Es handelt sich um einen ovalen Stein mit Ritzzeichen, die an die Anfänge der Schrift erinnern. Ähnliche Zeichen wurden im Siedlungshügel Karanowo, wie auch in Gradeschnitza entdeckt. Alle diese Artefakte stammen aus derselben Periode und weisen auf eine sehr frühe Form des Informationsaustausches hin. Die Historiker gehen davon aus, dass es sich bei den eingeritzten Symbolen um die Anfänge einer Schrift handelt.
Stier-Terrakotten mit Löchern zum Auffädeln
Die kleinen Terrakotta-Figuren in Form von Stieren wurden in den neusteinzeitlichen Ritualgruben beim Dorf Kowatschewetz in Nordostbulgarien entdeckt. Sie stammen aus der späten Steinzeit, etwa aus der zweiten Hälfte des 6. vorchristlichen Jahrtausends. Die rund 120 freigelegten Gruben aus jener Epoche enthalten Überreste verbrannter Bauten wie auch speziell ausgewählter Gegenstände symbolischen Charakters. Unter ihnen sind Keramikgefäße, Reibsteine und Mörser, Hörner von Haus- und Wildtieren, Kleinplastiken aus Ton sowie Werkzeuge aus Stein, Horn und Bein.
Mehr über die wichtigsten Entdeckungen der Archäologen des vergangenen Jahres erzählt die 14. nationale Archäologieausstellung „Bulgarische Archäologie 2020“, die bis zum 2. Mai dieses Jahres zu sehen sein wird.
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
Fotos: Nationales Archäologisches Institut und Museum der Wissenschaftsakademie
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