Ein Festival im alten Mesambria, wie einst die Thraker dieses vom Meer umgebene Fleckchen Land nannten, wird die Einwohner und Besucher der Stadt am Schwarzen Meer ganze Jahrtausende zurückversetzen – in eine Zeit, als hierzulande Mysterienspiele und alte Rituale vollführt wurden. Am 26. und 27. August lädt die Akademie „Orphica“ zu einem Umzug auf der von Wellen umgebenen schmalen Landenge zur Altstadt ein, wo die Vergangenheit die Gegenwart verdrängen und aus dieser Legierung der Zeit ein „Einst“ geboren werden wird.
Auf dem Programm des Festivals „Thrakische Mysterien“ stehen zwei interaktive Inszenierungen – „Thrakische Mysterien-Tragödie“ und „Mysterium des thrakischen Heros“. Laut Zwetan Gajdarski, Direktor der Akademie „Orphica“, seien die rekonstruierten thrakischen Mysterienspiele keine Show, sondern ein Projekt mit „sakralen Wesenswurzeln“. Aus diesem Grund werde sich das Publikum in einen Teilnehmer verwandeln und zusammen mit den handelnden Personen mittels Tanz, Wort und Musik den heiligen Anbeginn anrufen.
„Alles, was wir in der Akademie „Orphica“ in Bezug auf die Rekonstruktion thrakischen Brauchtums realisieren, fußt auf ein interessantes Phänomen“, erzählt Todor Jotow, Direktor des Festivals. „Im Unterschied zu anderen Kulturen, über die verschiedene Vermutungen angestellt werden, besitzen wir über die Thraker verschiedene Belege in Bulgarien – über ihre Lebensweise und ihre Kunst, ihr Verhalten im Kontakt mit dem Sakralen. Diese Zeugnisse wurden auf verschiedenen Gegenständen und in Steininschriften festgehalten, wobei ihre Sprache nach der Methode von Stephen Guide übersetzt werden kann.“
Das versetzt uns heute in der Lage, u.a. die antike thrakische Musik wieder erklingen zu lassen, behauptet Jotow und setzt fort:
„Die Modi wurden in einer archaischen Art Notenschrift notiert. Ein Nachfolger dieser Notenschrift sind die Neumen der religiösen Gesänge in der Zeit des Zweiten Bulgarenreiches. Auch in Bezug auf die Musikfolklore kann man viele thrakische Wurzeln erkennen; es gibt Regionen in Bulgarien, in denen noch nach dem alten Tonsystem gesungen wird. Die Musik ist und bleibt eine der Sprachen für die Darstellung der Beziehung zwischen dem Sakralen und den Erlebnissen in unserer Welt.“
Das Festivalprogramm sieht ferner die Ausstellung „Thrakische Mysterien“ der Malerin Diljana Angelowa und eine Vorlesung über die transzendentale Wissenschaft über die heilig Sprache der Thraker und deren Bedeutung für die Menschen heute vor.
„Das Sakrale steht in enger Beziehung zum Licht – die Wahrheit, wie auch die Schönheit, die stets hell sind – Dinge, vor denen sich der Mensch nicht verstecken kann“, erklärt Jordan Jotow seine esoterische Sicht auf das Erbe der Thraker. „Ihr ganzes Leben bestand darin, neue Möglichkeiten zu entdecken, dieses Licht in den Alltag einfließen zu lassen und alte Praktiken zu wiederholen. Diese Menschen, die verglichen zu den Menschen von heute sehr „ursprünglich“ erscheinen, haben ihre Häuser geschmückt und all ihr Tun glich sakralen Handlungen, damit diese heilige Wahrheit in ihrem individuellen Leben, im Leben ihrer Kinder und in ihren Taten sowie in ihrer Gesellschaft eine Widerspiegelung erfährt.“
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
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