Die Verlängerung der Frist für die Erlangung eines grünen Impfzertifikats bis Ende letzter Woche ist abgelaufen. Ab heute wird man nur noch in Lebensmittelgeschäfte, Banken, Apotheken, staatliche Institutionen sowie zum Arzt zugelassen. Für alle anderen geschlossenen Räumlichkeiten, wo es zu Menschenansammlungen kommen kann, ist das Zertifikat sowohl für die Mitarbeiter als auch für Besucher obligatorisch. Alle, die gegen diese Verordnung verstoßen, müssen mit Geldstrafen rechnen.
Auch heute wird es in verschiedenen Städten Bulgariens zu Protesten von Bürgern kommen, die mit den neuen Maßnahmen nicht einverstanden sind. Ihre Hauptmotive lauten: Einschränkung der Menschenrechte und Bedenken über mögliche Nebenwirkungen der Impfstoffe. Dessen ungeachtet ist in den letzten Tagen das Interesse an der Impfung gestiegen. Viele Menschen sagen allerdings, dass sie sich gezwungen sehen, sich impfen zu lassen, um ihren Arbeitsplatz nicht zu verlieren
„Die Forderung nach einem grünen Zertifikat ermöglicht es den Arbeitgebern, verdeckten Druck auf Krankenschwestern auszuüben. Einige wollen deshalb kündigen. Dieser Druck verstößt gegen grundlegende Verfassungsrechte“, kommentierte die Krankenschwester Maja Ilewa, Vorsitzende der Gewerkschaft der bulgarischen Krankenschwestern und Organisatorin von Protesten in der Branche, in einem Interview für den Bulgarischen Nationalen Rundfunk.
Der grüne Impfausweis ist eher ein Mittel, um die Durchimpfungsrate der Bevölkerung zu messen. Das hätte vor dem Hintergrund von kostenlosen Massentests für alle anderen erfolgen müssen, die ihre eigenen Argumente haben, warum sie sich nicht impfen lassen wollen sowie von Menschen, die unlängst von Covid-19 genesen sind, kommentierte die Rechtsanwältin für Medizinrecht Maria Petrowa:
„Die Leute sollten wissen, dass niemand gefeuert werden darf, nur weil er nicht ein solches Zertifikat vorgelegt hat. Hier stellt sich jedoch die Frage, ob angenommen werden kann, dass man eigenmächtig von der Arbeit fernbleibt, wenn man keinen Zugang zu seinem Arbeitsplatz erhält? Es ist eine Empfehlung des Ministeriums für Arbeit und Sozialpolitik erforderlich, wie in solchen Fällen vorzugehen ist. Vorerst wurde beschlossen, Menschen ohne ein grünes Zertifikat in den unbezahlten Urlaub zu schicken, was nicht das Humanste ist.“
Die Art und Weise, wie die Maßnahmen eingeführt wurden, kann bemängelt werden, weil sie gegen die Rechte und Interessen einer Vielzahl von Bürgern und juristischen Personen verstößt, ohne dass eine angemessene Frist zur Anpassung an die neue Situation gegeben wurde, lautet die Meinung des Rechtsanwalts und Doktors in Verfassungsrecht Borislaw Zekow:
„Andererseits scheint die Umsetzung dieser Maßnahme fast unmöglich, weil der Staat außerstande ist, Tausende Objekte einer systematischen Kontrolle zu unterziehen. Es wird kontrolliert, inwieweit die vorgewiesenen Zertifikate den jeweiligen Personen gehören. Niemand außer der Polizei ist befugt, von den Bürgern die Vorlage eines Personalausweises zu verlangen“, sagte Borislaw Zekow. Zugleich ergänzte er jedoch, dass eine Verurteilung des Staates vor dem Straßburger Gericht unrealistisch sei, da es nun jedem Land überlassen ist, selbst zu entscheiden, welche Maßnahmen es zur Bekämpfung der Pandemie einführt, Pflichtimpfung inklusive.
„Etwa 45-50 Prozent der bulgarischen Künstler sind geimpft“, erklärte in einem Interview für den Bulgarischen Nationalen Rundfunk der Vorsitzende des Bulgarischen Künstlerverbandes Christo Mutaftschiew.
„Dieses grüne Zertifikat bringt die Pläne für Theateraufführungen stark durcheinander, denn es gibt einige, wo die Tickets auf Monate im Voraus verkauft wurden. Und da sie kein grünes Zertifikat haben, bringen viele Leute ihre Tickets zurück und wollen ihr Geld zurückbekommen“, sagte Christo Mutaftschiew.
„Diese Zertifikate sind sicherlich nicht schlecht, aber man sollte das Recht haben, eine eigenständige Entscheidung zu treffen.“ So lautete der Kommentar von Wassil Dimitrow, stellvertretender Vorsitzender des Hotel- und Restaurantverbands in Blagoewgrad, in Bezug auf die Forderung an die Arbeitgeber in der Branche, dass Arbeitnehmer und Kunden geimpft sein müssen.
Seiner Ansicht nach hat der Staat es versäumt, im Sommer eine aktive Impfkampagne durchzuführen, um die Menschen zur Impfung zu motivieren. Stattdessen haben die Impfgegner Oberhand gewonnen, was die jetzigen Schwierigkeiten in verschiedenen Branchen zur Folge hat, da sie sich nun auf Kunden verlassen müssen, die 20 Prozent der bulgarischen Bevölkerung ausmachen.
Staatspräsident Rumen Radew erklärte, es sei inakzeptabel, dass diejenigen, die aus verschiedenen Gründen nicht geimpft werden möchten, fast 80 Lewa (ca. 40 Euro) pro Woche für Schnelltests zu bezahlen haben, um ein Dokument zu erhalten, das nur 48 Stunden gültig ist.
Bei einem Treffen mit den geschäftsführenden Ministern am Wochenende sprach Präsident Radew seine Unterstützung für die Maßnahmen aus, forderte jedoch, dass die notwendige Organisation geschaffen wird und kostenlose Tests ermöglicht werden, wobei die Arbeitnehmner nur für die Manipulation in Höhe von 10 Lewa (ca. 5 Euro) aufzukommen haben.
Übersetzung: Rossiza RadulowaFotos: BGNES, Facebook /Rechtsanwältin Maria Petrowa
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