Sendung auf Deutsch
Textgröße
Bulgarischer Nationaler Rundfunk © 2024 Alle Rechte vorbehalten

Nach den 2-in-1-Wahlen

Sieben Parteien im Parlament und Koalitionsregierung in Sicht

Rumen Radew gilt als Favorit der Stichwahlen

Einzig die extrem niedrige Wahlbeteiligung hinderte Rumen Radew daran, gleich im ersten Wahlgang zu siegen, während in den Parlamentswahlen die neue Partei „Wir setzen die Veränderung fort“ entgegen der Soziologen, die auf GERB-SDS setzten, den ersten Platz belegt.

Es ist so gut wie ausgeschlossen, dass in der Stichwahl am nächsten Sonntag Prof. Anastas Gerdschikow die Differenz von fast 22 Prozent ausgleichen kann. Oder besteht doch eine Möglichkeit? Wem werden die  zahlreichen Sympathisanten der „Bewegung für Rechte und Freiheiten“ (DPS) ihre Stimme geben?

„Es scheint, dass sie für Anastas Gerdschikow stimmen werden“, prognostiziert Irena Todorowa, Dozentin am Lehrstuhl für Politikwissenschaft der Neuen Bulgarischen Universität in einem Interview für den BNR. „Ich glaube jedoch nicht, dass etwa 10 Prozent zu seiner Unterstützung auf wundersame Weise auftauchen, da nicht klar ist, inwieweit es die DPS schaffen wird, ihre Wähler zu mobilisieren. Meiner Meinung nach wird Rumen Radew den ersten Platz behalten. Aus heutiger Sicht scheint er die populärste Führungspersönlichkeit zu sein. Er übertrifft bei weitem das Parteiergebnis sowohl der BSP als auch von „Wir setzen die Veränderung fort“ und das ist etwas, das über die anderen Präsidentschaftskandidaten nicht gesagt werden kann.“

Irena Todorowa

Im Unterschied zu den letzten beiden Parlamentswahlen während des Jahres sehen die politischen Analysten diesmal eine Chance, dass endlich ein reguläres Kabinett gebildet werden kann. Die Partei der ehemaligen Übergangsminister und Harvard-Absolventen Kyrill Petkow und Assen Wassilew hat bereits angekündigt, sich bei allen parlamentarischen Kräften, außer GERB und der „Bewegung für Rechte und Freiheiten“, um Unterstützung zu bemühen.

Die „Bulgarische Sozialistische Partei“ (BSP) werde bei der Kabinettbildung in die Rolle eines Dispatchers schlüpfen, so der Gallup-Soziologe Parwan Simeonow.

Parwan Simeonow

„Die Wahrheit ist, dass das Mandat für den Wandel eindeutig bestätigt wurde, zumal viele Anhänger der Protestformationen zur Partei „Wir setzen die Veränderung fort“ übergingen“, sagte er dem BNR gegenüber. „Darüber hinaus wird die BSP kein Hindernis mehr sein, da Befürchtungen, dass ihr das zweite Mandat zur Regierungsbildung übertragen werden könnte, sich nicht bewahrheitet haben. Und drittens hat die Bevölkerung gezeigt, dass, falls jetzt keine Regierung gebildet werden sollte, sie bei den nächsten Wahlen zu drastischeren Dingen bereit sei. Mir scheint, diesmal gibt es genug Aufwind, um eine Regierung zu bilden, da auch der Handlungsspielraum größer ist.“

Die Kampagne der GERB-Partei war laut dem Politikwissenschaftler Strachil Delijski aggressiv, arrogant und ausschließlich darauf ausgerichtet, die Erosionsprozesse der Partei zu stoppen.

Strachil Delijski

„Bojko Borissow hat es auf bemerkenswerte Weise geschafft, aber der Preis, den wir alle für ein solches Verhalten bezahlt haben, war die unangenehme Kampagne, die zu einem der Gründe für die schwache Wahlbeteiligung wurde“, meinte Strachil Delijski gegenüber dem BNR. „Die Formation „Wir setzen die Veränderung fort“ hat in etwa den gleichen Erfolg, der von „Es gibt ein solches Volk“ bei den Wahlen im Juli dieses Jahres verzeichnet wurde. Diesmal haben wir es jedoch mit einem andersartigen politischen Subjekt zu tun, dem die Verantwortung für die Regierungsbildung zukommen wird. Die Prognose fällt nun etwas optimistischer aus, denn diese neue Partei setzt weniger auf Kontroverse, so dass sie für kurzfristige Aufgaben wie geschaffen ist.“

Es spricht vieles dafür, dass eine Koalitionsregierung gebildet werden kann. Die Analysten warnen jedoch gleichzeitig, dass dies nicht um jeden Preis geschehen müsse. Dozent Nikolaj Dimitrow, Sozialpsychologe an der Universität Sofia, sieht nichts Schlimmes darin, falls das nächste Parlament keine Regierung bilden sollte.

Nikolai Dimitrow

„Tatsächlich hat die Übergangsregierung nur begrenzte Befugnisse. Sie stützt sich vor allem auf die Handlungen des Parlaments und wir haben im Verlauf des vergangenen halben Jahres gesehen, dass das gut funktioniert“, sagte er gegenüber Radio Bulgarien. „Die Hauptfrage besteht darin, den Staatshaushalt für das nächste Jahr auszuarbeiten. Erstens ist es kein Problem, dass er vom Finanzminister der Übergangsregierung vorbereitet und von einem regulären Parlament gebilligt wird. Und zweitens gilt laut Gesetz, dass der alte Haushaltsplan für das laufende Jahr gültig bleibt, wenn ein Haushalt für das nächste Jahr nicht verabschiedet werden sollte. Es ist also kein so großes Problem, falls zum dritten Mal keine Regierung zustande kommen sollte.“

Die Soziologen scheiterten diesmal mit ihren Prognosen über den Sieger der Parlamentswahlen. Ebenso haben sie nicht vermocht vorherzusagen, dass die Partei „Wiedergeburt“ ins Parlament einziehen wird. Diese Formation strebt die Abschaffung aller epidemiologischen Maßnahmen an und drängt auf eine Neuverhandlung der EU-Mitgliedschaft Bulgariens und einen eventuellen Austritt des Landes aus der NATO. Somit wird die 47. Volksversammlung aus 7 politischen Kräften bestehen. Ob ihre Tätigkeit in Bezug auf die Zukunft Bulgariens eine Einigung bewirken wird, bleibt abzuwarten.

Zusammengestellt: Diana Zankowa

Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow

Fotos: BNR, BGNES, Privatarchiv


Последвайте ни и в Google News Showcase, за да научите най-важното от деня!

mehr aus dieser Rubrik…

Der Wahlkampf zu den Europawahlen in Bulgarien im Schatten einer weiteren vorgezogenen Parlamentswahl

Bulgarien wählt am Sonntag, den 9. Juni, das 50. Parlament des Landes. Es sind die sechsten vorgezogenen Parlamentswahlen innerhalb von zweieinhalb Jahren. Dieses Mal fallen sie mit der Wahl des neuen Europäischen Parlaments zusammen, für das Bulgarien..

veröffentlicht am 06.06.24 um 12:10

Blickpunkt Balkan

Griechenland identifiziert 83 Jahre später 18 NS-Opfer Achtzehn Zivilisten, die während des Zweiten Weltkriegs auf der griechischen Insel Kreta hingerichtet wurden, konnten 83 Jahre später durch DNA-Analysen im Labor für Paläogenomik und..

veröffentlicht am 31.05.24 um 12:48
Erzbischof Stefan

Blickpunkt Balkan

Die mazedonisch-orthodoxe Kirche steckt im Streit um den Namen Mazedonien und die Erzdiözese Ochrid fest Die mazedonisch-orthodoxe Kirche hat sich in den Streit um den Namen „Mazedonien“ eingeschaltet. Das Oberhaupt der Kirche, Erzbischof Stefan,..

veröffentlicht am 23.05.24 um 13:22