In der christlich-orthodoxen Welt ist es Brauch, an den Totengdenktagen vor allem gekochten Weizen zu verteilen, der häufig als „Kolivo“ bezeichnet wird. Neben den Feierlichkeiten im Zusammenhang mit verstorbenen Verwandten und Nahestehenden, wird diese Art Speiseopfer aber auch an Festen dargebracht, wenn eine wundertätige Ikone zur Verehrung aufgestellt wird. Dieser spezielle Weizen wird stets nur an Samstagen gekocht, denn der Samstag ist der Tag in der Woche, an dem der Toten gedacht werden soll. Eine Ausnahme bilden Festtage des Herrn, wenn sie auf einen Samstag fallen, denn dann werden keine Toten- oder Gedenkmessen abgehalten.
Laut den Überlieferungen wurde „Kolivo“ zuerst von den Mönchen auf dem Berg Athos zubereitet. Bis heute wird dort häufig Weizen auf spezielle Weise gekocht und danach gesegnet. Mit den Jahrhunderten fand dieser Brauch auch außerhalb der Mönchsrepublik Verbreitung.
„Diese Tradition des Berg Athos, die zur Lobpreisung der Heiligen und der Gottesmutter gepflegt wird, habe ich vor 4 Jahren hierhergebracht“, erzählt Newena Spassowa von der Sofioter Bistumsverwaltung. „Ich habe gezeigt, wie „Kolivo“ zubereitet wird - zur Lobpreisung und zur Freude der Menschen. Dieses Speiseopfer rundet die Liturgie ab. Der Weizen an sich ist ein Symbol der Auferstehung Christi. So, wie der Erlöser auferstanden ist, so keimt auch das auf den Boden gefallene Weizenkorn zu neuem Leben. Mit dem Weizen versinnbildlichen wir die Auferstehung Gottes.“
„Kolivo“ wird in Angedenken an die Gottesmutter und die Kirchenväter zubereitet. Die Mönche des Berg Athos bringen es nicht nur den Heiligen dar, sondern reichen ein Schälchen davon auch den Reisenden. Bei der Segnung des gekochten Weizens wird gemäß den Vorschriften auch der Klostervorsteher der vergangenen 100 Jahre, wie auch der Mönchspriester und Mönche der letzten 3 Jahrzehnte gedacht.
Traditionell wird „Kolivo“ aus Weizenkörnern hergestellt, die von Hand zerstoßen werden. Weitere Zutaten sind Rosinen, Walnüsse, Mandeln, geröstete Haselnüsse, Sesam, Granatapfel, Zimt und Nelke. Das Gemisch wird auf speziellen Platten ausgebreitet und mit Puderzucker bestreut. Man kann es aber auch speziell verzieren und beispielsweise den jeweiligen Heiligen, an den gedacht wird, oder die Gottesmutter darstellen. Dazu braucht man jedoch Geduld und Begabung:
„Wenn man es so machen möchte, wie ich, dann braucht man schon mehrere Tage dazu. Allein die Vorbereitung nimmt viel Zeit in Anspruch, weil man verschiedene Farbtöne und Früchte benötigt; die Nüsse müssen gemahlen werden und vor allem braucht man Schablonen. Für die Abschlussarbeiten an der Darstellung benötigt man dann einige Stunden.“
Die Mönche haben ein ganz spezielles Typikon, an das sie sich strikt halten. Die Darstellungen folgen der Ikonographie. Um den Kanon zu wahren haben die Ikonenmaler in der postbyzantinischen Zeit spezielle Matrizen verwendet. Sie dienen heute zur Markierung der Konturen auf dem ausgebreiteten gekochten Weizen. Danach werden mit dünnen Pinseln die verschiedenfarbigen Details ausgearbeitet, wie Gesicht, Haare und Bekleidung. Der gekochte Weizen wird Schritt um Schritt in ein Kunstwerk verwandelt.
„Wenn man mit der Begabung zu malen gesegnet worden ist, wird einem diese Aufgabe in den Klöstern auf Anraten übertragen. Mir hat es der entschlafene Vater Epiphanius vom Berg Athos beigebracht. Er war Kloster-Chefkoch und kümmerte sich um die Tafeln aller Klöster des Berg Athos. Es ist wirklich nicht einfach und nicht jedem gelingt es. Wenn man jedoch mit Herzt und Seele dabei ist, hilft einem Gott.“
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
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