Unabhängig von den gesellschaftspolitischen Veränderungen in den späten 90er Jahren des 20. Jahrhunderts, die den offiziellen Feiertagskalender der Bulgaren neugestaltet haben, wird der Tag der Arbeit am 1. Mai immer noch mit gebührender Feierlichkeit begangen. Viele Menschen verbinden den 1. Mai auch heute noch mit der sozialistischen Vergangenheit unseres Landes, andere nehmen ihn als ein historisches Datum wahr. Am 1. Mai 1886 fand in den Vereinigten Staaten ein groß angelegter nationaler Streik statt, mit dem die offizielle Einführung des 8-Stunden-Arbeitstages gefordert wurde.
Ein untrennbarer Bestandteil der bulgarischen Feierlichkeiten zum 1. Mai ist der Marsch „Gemeinsames Lied“, das zum musikalischen Emblem für den Tag der Arbeit geworden ist.
Ein gemeinsames Lied soll erklingen,
ein Lied, das Lied der Arbeit!
Frei sollen unsere Herzen werden!
Es lebe, es lebe die Arbeit!
Der Text für das „Gemeinsame Lied“ stammt von Georgi Kirkow, ein hierzulande bekannter Poet und Publizist. Weniger bekannt ist hingegen der Komponist Georgi Goranow, der den Text vertont hat.
Er wurde 1882 in Kjustendil geboren und ist ein Nachkomme von Flüchtlingen aus dem mazedonischen Dorf Wirtsche. Bereits mit 5 Jahren spielte Georgi auf dem Tamburin seines Vaters. 1898 wurde er in der Pädagogischen Schule in Kjustendil eingeschrieben, wo er gemeinsam mit Klassenkameraden ein Streichorchester gründete.
1900 kam der Tscheche Karel Mahan als Gesangslehrer an derselben Schule, der das außergewöhnliche Interesse von Georgi Goranow für Violine und Musiktheorie weckte. 1902 ging der junge Mann zum Studium nach Zagreb, schaffte aber aufgrund seines sich verschlechternden Gesundheitszustands den Abschluss nicht. Er kehrte in seine Heimat zurück und verstarb im Alter von nur 23 Jahren an Tuberkulose.
Georgi Goranow hat ein bescheidenes Vermächtnis von Stücken für Mandolinenorchester und Chorlieder hinterlassen, darunter auch „Das gemeinsame Lied“. Zum ersten Mal wurde es am 24. Mai 1903 auf dem zentralen Platz in Kjustenduil aufgeführt. Der Männerchor „Klassenbewusstsein“ wurde vom damals 21-jährigen Georgi Goranow dirigiert. Im darauffolgenden Jahr gelangte das Lied nach Sofia, wurde von einem Studentenchor einstudiert und bei verschiedenen Gelegenheiten aufgeführt. Es wurde in einer Broschüre veröffentlicht und unter Arbeitern verteilt. Das Lied wird in den Folgejahren bei Streiks, Kundgebungen und Demonstrationen erklingen und natürlich auch immer wieder am 1. Mai.
Übersetzung: Georgetta Janewa
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