Verschiedene Berufsgruppen in Bulgarien protestieren mit der Hauptforderung nach Lohnerhöhungen. Steigende Preise für Strom und Heizung sowie für Grundnahrungsmittel stellen die Familienbudgets auf eine harte Probe. Einigen Statistiken zufolge sind an der Schwelle zum Winter über 2 Millionen Bulgaren energiearm. Die politische Instabilität im Land und die Ungewissheit über die künftige Regierung sorgen für Pessimismus. Hinzu kommt, dass der Gesetzentwurf über den Staatshaushalt 2023 bis zum 31. Oktober ins Parlament eingebracht werden muss.
Das Team der geschäftsführenden Finanzministerin Rossiza Welkowa hat drei Varianten für den Staatshaushalt 2023 ausgearbeitet. Die Basisvariante sieht ein Defizit von 6,6 Prozent, eine neue Staatsverschuldung von fast 16 Milliarden Lewa (ca. 8 Milliarden Euro) und eine Inflation von 6,4 Prozent vor. Die Rentenobergrenze soll bei 3.400 Lewa bleiben, die Mindestrente 467 Lewa betragen und am 1. Juli 2023 auf 523 Lewa erhöht werden. Der Mindestlohn soll auf 710 Lewa eingefroren werden. Vorgesehen sind eine Arbeitslosenquote von 4,6 Prozent und ein Wirtschaftswachstum von 1,6 Prozent.
Laut dem Finanzanalytiker Prof. Garabed Minassjan braucht unser Land eine tragfähige Steuerpolitik:
„Die Finanzpolitik hat viele Ziele und Aufgaben. Eine davon ist die Aufrechterhaltung einer akzeptablen sozialen Schichtung in der Gesellschaft. Das hat mit der Verringerung des Lohngefälles zwischen den oberen und den unteren Einkommensschichten zu tun. Wir sehen ständig, wie solche sozialen Spannungen in verschiedenen Bereichen entstehen und das Finanzministerium Brände löschen muss, anstatt sie im Voraus zu planen. Es ist auch sehr wichtig, dass das Finanzministerium durch seine Steuerpolitik Voraussetzungen schafft, um die Wirtschaftstätigkeit anzukurbeln und das Wirtschaftswachstum zu steigern“, rät Prof. Garabed Minassjan.
Seinen Worten zufolge weist Bulgarien die größte soziale Schichtung innerhalb der EU auf. Bei uns liegt dieser Indikator bei 40 Prozent, während der EU-Durchschnitt 30 Prozent beträgt. Die Frage ist, was der Grund für diese großen sozialen Unterschiede ist und ob der Staatshaushalt zu deren Entstehung beiträgt. „Es geht nicht darum, Brände zu löschen, wenn die Menschen erst einmal auf die Straße gehen, sondern darum, Maßnahmen zu planen, um eine weitere Schichtung zu verhindern“, so der Analyst.
„Traditionell warten wir mit den Ausgaben während des Jahres ab, was für die Verwaltung bequem ist. Und am Ende des Zeitraums wird traditionell Geld für alle Arten von Ausgaben 'ausgeschüttet'. Die Kapitalausgaben werden hierzulande fast schon traditionell vernachlässigt, d.h. die Idee von einer gezielten und gut durchdachten Politik in Bezug auf die öffentlichen Finanzen ist nicht präsent. Diese sind aber notwendig, denn das Land braucht dringend die Entwicklung von Infrastrukturprojekten jeder Art - in den Bereichen Straßeninfrastruktur, militärische Infrastruktur, Bildung, Medizin, Kultur und Sport. Der Mangel an einem solchen infrastrukturellen Komfort hemmt den Investitionsprozess“, ist Prof. Minassjan überzeugt.
Die unzureichende Investitionstätigkeit im Land und der Export von einheimischem Kapital ins Ausland gehören zu den größten Übeln der bulgarischen Gesellschaft, meint der Experte.
„Letztes Jahr haben wir zum Beispiel bulgarisches Kapital im Wert von 7,7 Milliarden Euro exportiert. Das entspricht zwei Dritteln der Investitionen, die im Land getätigt wurden“, so Prof. Garabed Minassjan weiter. „Laut dem Bericht für 2021, den das Nationale Statistikamt unlängst veröffentlicht hat, ist überall ein Wachstum zu verzeichnen – das BIP hat um 7,6 Prozent zugelegt, es liegen ein Verbrauchswachstum von 6,7 Prozent und ein Wachstum der Exporte und Importe usw. vor. Der einzige Rückgang ist bei den Investitionen zu verzeichnen, die um 8,3 Prozent gesunken sind. Und die erwartete Umsetzung des Haushalts für das laufende Jahr sieht ebenfalls einen Rückgang der Investitionen um 4 Prozent vor. Deshalb drängt sich logisch die Frage auf: Was ist das für eine Wirtschaft, in der die Investitionen erheblich zurückgehen, während das BIP und der Verbrauch wachsen?“
Zusammengestellt von Elena Karkalanowa (auf der Grundlage eines Interviews von Sneschana Iwanowa, BNR-Inlandsprogramm „Horizont“)
Übersetzung: Rossiza Radulowa
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