Seit Jahrhunderten ist die Begrüßung des Neuen Jahres einer der wichtigsten Augenblicke in den bulgarischen Traditionen. Es geht nicht einzig um einen Übergang zu einem neuen Kalenderjahr, sondern um eine Grenze, die mit einer breitgefächerten Abfolge von Ritualen und Bräuchen überschritten werden muss. Sie beginnen am letzten Novembertag und dauern fast bis Ende Januar – eine Zeit, die als Übergang von der Dunkelheit zum Licht, vom Chaos zur neuen Ordnung verstanden wird.
Der bulgarische Folklorekalender vermerkte den Jahreswechsel besonders, nicht weil ein neues Kalenderjahr anbrach, sondern weil am 1. Januar der Tag des heiligen Basilius des Großen begangen wird. Dann feiern alle, die den Namen des Heiligen tragen. Er lebte übrigens im 4. Jahrhundert und gilt zu den bedeutendsten Kirchenvätern.
Die Festtafel wurde an diesem Tag vom Familienvater beweihräuchert; deshalb nennt man den Abend auch „Weihabend“. Die alten Bulgaren glaubten, dadurch die dunklen Mächte im neuen Jahr abzuschrecken, denn dies würden den Weihrauch scheuen. Auf dem Tisch in der Silvesternacht dürfen drei Dinge nicht fehlen – selbstgebackenes Brot, Schweinefleisch und der typische bulgarische Blätterteigkuchen – die Banitza.
Auch an diesem Festtag vermischen sich heidnische und christliche Bräuche, denn am gleichen Tag ehrte man nach alter Tradition das Mädchen Wassilija, die eine beliebte Wahrsagerin aus vorchristlicher Zeit war. Sie war für ihre Wahrsagungen über die künftige Ehe der Mädchen bekannt. Und so vollführten die heiratsfähigen Mädchen einige Rituale und orakelten über ihre künftige Ehe. Sie tauchten ihre Fingerringe in einen kleinen Wasserkessel, der die Silvesternacht über unter freiem Himmel blieb. Das Wasser musste unbedingt aus einer guten Quelle stammen. Die Fingerringe band man an kleine Sträußchen ewig grüner Pflanzen, wie Waldstorchschnabel, Basilikum u.a. Am frühen Morgen des 1. Januar versammelten sich die Mädchen und sangen den ganzen Tag lang in Erwartung der sogenannten Surwakari – die Knaben und die jungen Männer, die zum Neujahr Glück- und Gesundheitswünsche überbrachten. Abhängig davon, welcher Ring aus dem Wasserkessel herausgeholt wurde, als die Junggesellen ins Haus kamen, wusste man, welches Mädchen als erstes im neuen Jahr heiraten würde.
Dieses Ritual, genannt „Laduwane“, ist in vielen bulgarischen Dörfern immer noch lebendig und wird gepflegt, natürlich aus Spaß und der alten Tradition willen.
Der sich bis heute erhaltene Brauch, der nie aufgehört hat zu existieren, sind die leichten Schläge mit der Neujahrsrute auf dem Rücken - ein Ritual, das in den ersten Stunden des Neuen Jahres ausgeübt wird. Die Neujahrstuten, genannt „Surwatschki“, werden obligatorisch aus den Zweigen der Kornelkirsche gefertigt, denn das ist der Baum, der zum ersten Mal im neuen Jahr blüht, ein Symbol für Gesundheit und Wohlergehen.
Heute kann man problemlos Neujahrsruten auf dem Markt kaufen, doch viele Frauen und Großmütter ziehen es vor, sie selbst zu basteln. Zu diesem Zweck werden verschiedenfarbige Wollfäden verwendet. Ein roter Faden darf keinesfalls fehlen. Die Neujahrsrute wird mit den bunten Fäden, getrocknetes Obst und Popcorn geschmückt.
Mit den Neujahrsruten gingen früher einzig die Surwakari um. Zu Silvester versammelten sich die Jungen aus dem Dorf im Alter zwischen 4 und 14 Jahren und gingen von Haus zu Haus, um mit den Neujahrsruten jedem Glück und Gesundheit zu wünschen. Dabei wurden verschiedene Verse aufgesagt, um Wohlstand, Glück, Gesundheit sowie eine reiche Ernte heraufzubeschwören.
Die Junggesellen trugen die für die Hochzeit typischen Trachten – um die Schulter wurden bunte Handtücher gebunden, um den Hals band man ihnen rote, blaue und grüne Perlen um. An die traditionelle Pelzmütze wurde Efeu und anderes immergrünes Laub gebunden. Die Vorbereitung ähnelte den Hochzeitsritualen. In den Häusern, wo sie als willkommene Gäste erwartet waren, beschenkte man sie mit selbstgebackenen Brezeln, trockenen Früchten, Würstchen, Popcorn und man schenkte ihnen Silbermünzen.
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