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Drei Bulgaren in Bukarest über die Lage in der Heimat und die anstehenden Parlamentswahlen

Bukarest
Foto: Unsplash

Wenn es stimmt, dass Bulgarien nicht nur ein Land ist, dass einzig zwischen seinen Grenzen besteht, sondern dort ist, wo es überhaupt Bulgaren gibt, dann kann man nördlich der Donau eine in den letzten Jahrzehnten stets wachsende Gemeinschaft von Landsleuten entdecken. Es handelt sich um „neue Auswanderer“ im Gegensatz zu den Bulgaren, die sich bereits während der osmanischen Fremdherrschaft in heute zu Rumänien gehörenden Regionen niederließen. Um mehr über die Einstellung einiger dieser Landsleute zur gesellschaftlichen Entwicklung unseres Landes und ihre Teilnahme als Wähler an der Reihe der außerordentlichen Parlamentswahlen in Bulgarien zu erfahren, führte unser Kollege von der rumänischen Redaktion von Radio Bulgarien, Wladimir Mitew, mehrere Kurzinterviews.

Die Gesprächspartner sind drei, die sich entschieden haben, anonym zu bleiben - ein älterer Bulgare, der sich unmittelbar vor 1989 in Rumänien niedergelassen hat und als Vermittler zwischen Bürgern und Geschäftsleuten aus beiden Ländern tätig ist, ferner ein junger Mann, der mit einer Rumänin verheiratet ist, die für eine Firma arbeitet, die mit Bulgarien Geschäftsbeziehungen unterhält, und eine junge Bulgarin, die in einem Callcenter arbeitet und seit rund zehn Jahren zusammen mit ihrem Mann und ihrem Kind in Rumänien lebt. Ihre Meinungen stehen stellvertretend für die unterschiedlichen Einstellungen der Bulgaren zum Wahlprozess in unserem Land:


„Ich persönlich bin immer wählen gegangen, weil ich nicht zurückbleiben möchte. Ich möchte, dass meine Stimme, wenn möglich, zu etwas Positivem beiträgt. Deshalb habe ich immer sowohl in Bulgarien als auch in Rumänien gewählt. Das steht allen zu“, ist unser 68-jähriger Landsmann überzeugt, der seit Jahrzehnten in der rumänischen Hauptstadt lebt. „Und es ist gut, von seinem Wahlrecht Gebrauch zu machen, damit die Dinge in Bulgarien wieder in Ordnung gebracht werden können und die Wahlspirale unterbrochen wird, unter der das Land leidet.

Ich will das, wonach alle streben – Gesetze für einen Rechtsstaat. Es gibt viele Probleme im Zusammenhang mit der Institution des Generalstaatsanwalts; Lösungen müssen gefunden werden, der Generalstaatsanwalt muss überprüft werden können“, sagt unser Gesprächspartner. Er hofft, dass mehr junge Menschen in die bulgarische Politik einsteigen, denn momentan passen sich die alten Parteien stets an und behalten so ihren Einfluss.


Unsere jüngeren Gesprächspartner haben andere Einstellungen.

Eine bulgarische Frau, die es vorgezogen hat, ihr Kind in der rumänischen Hauptstadt großzuziehen, gibt zu, dass sie nie wählen geht, weil sie sich von unserer politischen Realität getrennt hat und es ihrer Ansicht nach nicht richtig ist, sie von außen zu beeinflussen. Die Frau scheint jedoch ein anderes Motiv zu haben – sie ist enttäuscht vom „rückständigen Denken“ in Bulgarien und von der fehlenden Einmütigkeit. In Rumänien sieht sie Regeln, die befolgt werden. „Sowohl mein Mann als auch ich sind Bulgaren; beide haben wir unsere Heimat verlassen - bedauerlicherweise. Bulgarien hat mir nicht das gegeben, was ich wirklich brauchte“, sagte sie gegenüber Radio Bulgarien und setzt fort:

„Ich reise schon lange. Bulgarien hat in jeder Hinsicht eine sehr, sehr rückständige Denkweise, was das politische Leben betrifft. An Rumänien gefällt mir, dass sich die Dinge viel schneller entwickeln als in Bulgarien. Als ich unser Land zum ersten Mal verließ, war es für längere Zeit. Der Schock, den ich bei meiner Rückkehr erlebt habe, hat mich tief erschüttert und mich zum Nachdenken gebracht; und so beschloss ich, auf die Dauer im Ausland zu leben“, sagt unsere Landsfrau. Die Wahl sei auf Rumänien gefallen, weil ihr Mann dort eine Anstellung gefunden hat.


Die Familie unseres dritten Gesprächspartners ist gemischt – er ist ein Bulgare aus Russe, seine Frau ist Rumänin. Er hat sich ebenfalls an den vergangenen zwei Wahlen in Bulgarien nicht beteiligt, hat aber Gewissensbisse und erwägt, am 2. April 2023 seine Stimme abzugeben. Er will, dass Bulgarien „ein normales europäisches Land mit einer Zukunft für die Kinder, für unsere Kinder“ wird. Beim Vergleich zwischen Bulgarien und Rumänien sieht er keinen klaren Sieger, hält aber unseren nördlichen Nachbarn zumindest bei den Verwaltungsleistungen für dynamischer:

Ich möchte, dass in Bulgarien etwas passiert und nicht nur einzig darüber geredet wird. Die Öffentlichkeit muss aktiver werden und es müssen andere Leute in die Politik. Die bisherigen Politiker scheinen für die Parlamentssitze „abonniert“ zu sein und so kann sich nichts ändern“, sagt unser Gesprächspartner, der seit 5 Jahren in Rumänien lebt. Die Politik gegenüber den Gemeinschaften im Ausland ist nicht ausschlaggebend für seine Wahl, welche politische Kraft er unterstützen wird, aber wenn es einen erklärten Wunsch gibt, aktiv mit der bulgarischen Gemeinschaft dort zusammenzuarbeiten, würde ihn das zum Nachdenken veranlassen. „In Rumänien gibt es eine Dynamik in der Gesellschaft und in der Wirtschaft. Ich kann die Investitionen hier sehen, sowohl die aus dem Ausland als auch aus dem Inland. Es gibt eine gewisse Produktion, es gibt auch Dienstleistungen, die auf einem gewissen Niveau sind. In puncto Staatsapparat bleibt aber noch viel zu wünschen übrig. Mit meiner Frau, die Rumänin ist, vergleichen wir bestimmte Dienstleistungen in Bulgarien und Rumänien. Manchmal sind wir überrascht, dass in Bulgarien manches etwas einfacher abläuft.“

Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
Fotos: Unsplash, Pixabay, Archiv




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