Sendung auf Deutsch
Textgröße
Bulgarischer Nationaler Rundfunk © 2024 Alle Rechte vorbehalten

Vor zwei Jahrhunderten wurde in Weliko Tarnowo die erste moderne bulgarische Apotheke eröffnet

In diesem Gebäude wurde die erste bulgarische Apotheke eröffnet / Foto: Dr. Atanaska Stamboliyska, Regionales Geschichtsmuseum Weliko Tarnowo

Eingerichtet wurde sie Anfang des 19. Jahrhunderts vom ersten Bulgaren mit Hochschulbildung, Dr. Marko Pawlow. Sein Leben ist wie aus einem sentimentalen Roman des 18. Jahrhunderts entnommen. Er wurde 1784 in der Siedlung Siatista in Ägäis-Mazedonien geboren und verwaiste bereits im frühen Kindesalter. Marko wurde von einem italienischen Weizen- und Seidenhändler adoptiert und wuchs in Italien auf, wo er in Venedig, dem damaligen Mekka der europäischen Pharmazie, Medizin studierte. Er schloss sein Studium an der Universität der französischen Stadt Montpellier 1808 als Arzt ab und meldete sich noch während seines Studiums freiwillig in Napoleons Armee. Während des österreichisch-französischen Krieges von 1809 stand er als Leibarzt im Dienste des glorreichen Marschalls Jean Lannes und wurde von ihm mit zwei Verdienstorden ausgezeichnet. Nach der blutigen Schlacht von Aspern-Essling hauchte der Marschall buchstäblich sein Leben in den Armen des jungen Marko Pawlow aus.

Napoleon besucht die Verwundeten nach der Schlacht bei Aspern-Essling im Jahr 1809, Maler Charles Menier

Nach 1814 arbeitete Marko Pawlow mit einem englischen Pass als Sanitäter auf Korfu und den restlichen Ionischen Inseln. Danach wurde er Militärarzt in Tunesien und Marokko. Er schloss sich der geheimen griechischen Befreiungsorganisation „Filiki Eteria“ an und nahm 1821 am griechischen Unabhängigkeitskrieg teil. Über Konstantinopel ließ er sich in Plowdiw nieder. Dr. Marko Pawlow erwarb sich schnell einen Ruf als guter Arzt. Er heiratete und wurde Leibarzt des Paschas von Plowdiw. Zusammen mit seinem Gönner zog er später nach Weliko Tarnowo.

Um der Konkurrenz einen Schritt voraus zu sein, beeilte sich Dr. Marko Pawlow, dort eine eigene moderne Apotheke einzurichten. Bereits 1823 bestellte er Medikamente und Gefäße aus Frankreich. Dieses Jahr gilt auch als das Jahr, in dem die erste moderne Apotheke in Bulgarien gegründet wurde. Für die Apotheke wurde ein spezielles Geschäft angemietet und sie wurde "Lekarnja" (Heilstätte) genannt. Dort führte der Arzt gleichzeitig Untersuchungen durch und stellte Arzneimittel her - in separaten Räumen mit einem Labor und einem Lager. Die zubereiteten Arzneimittel wurden im Empfangsraum in Porzellan- und Glasbehältern auf Regalen in alphabetischer Reihenfolge und nach Gewicht geordnet ausgestellt. Stark wirkende Medikamente wurden in speziellen Wandschränken aufbewahrt.

Im Empfangsraum verfügte der Arzt nicht nur über einen großen Arbeitstisch und einen Schreibtisch, sondern auch über eine bewegliche Leiter, mit der er die oberen Regale erreichen konnte. Im Labor gab es einen weiteren Tisch mit Regalen, ein Waschbecken mit einer Waschschüssel aus Kupfer, einen Steintrog, Siebe, Mörser, eine Maschine zum Mahlen harter Drogen, ein Messer zum Schneiden von Wurzeln und große Pressen. An Kundschaft mangelte es nicht. Menschen strömten aus der ganzen Donauregion hierher, um nach Heilung zu suchen.

Die 1981 restaurierte „Lekarnja“

Dr. Marko Pawlow starb am 5. Januar 1864 im Alter von 80 Jahren. Nach seinem Tod wurde die Lekarnja von seinem jüngsten Sohn Georgi Markow übernommen. Dieser war gezwungen, nicht nur seinen Familiennamen, sondern auch den Firmennamen zu ändern und das Schild „Apotheke“ an der Tür anzubringen. Das geschah nach der brutalen Niederschlagung des Aprilaufstandes 1876. Georgi Markow richtete einen Bericht an die Internationale Untersuchungskommission für osmanische Gewalttaten. Er sammelte 176 Unterschriften aus der Bevölkerung zur Unterstützung des Berichts. Seine Aktionen kamen aber den Behörden zu Ohren. Auf Anraten des russischen Botschafters Graf Nikolaj Ignatiew tauchte der Bulgare in Konstantinopel unter. Um der Verfolgung zu entgehen, nahm er die griechische Staatsbürgerschaft an. Nach seiner Rückkehr nach Weliko Tarnowo schrieb er auf dem Firmenschild statt „Georgi Markow“ „Georg Markisis“, wie sein neuer Name im Reisepass lautete. Deshalb hatten die alten Einwohner von Weliko Tarnowo die erste Lekarnja auch als die „Markisis-Apotheke“ in Erinnerung. Im Jahr 1877, während des Russisch-Türkischen Krieges, der zur Befreiung Bulgariens führte, versorgte Georgi Markow russische Soldaten und Flüchtlinge aus Südbulgarien mit kostenlosen Medikamenten. Im Jahr 1886 überließ er die Apotheke seinem Mitbürger, dem Handelsminister Panajot Slawkow.

Das Gebäude der ersten bulgarischen Apotheke wurde restauriert und 1981 in ein funktionierendes Museum umgewandelt. Es befindet sich gegenüber dem vom Renaissance-Meister Koljo Fitscheto erbauten Konak. Nach der Wende gegen Ende des 20. Jahrhunderts wurden die Räumlichkeiten restituiert und die Lekarnja-Apotheke stellte ihre Arbeit ein. Heute befindet sich an der Fassade eine Gedenktafel mit dem Namen des ersten bulgarischen Apothekers - Dr. Marko Pawlow, so Dr. Todorka Nedewa vom Regionalen Geschichtsmuseum in Weliko Tarnowo gegenüber Radio Bulgarien.

Übersetzung: Rossiza Radulowa

Fotos: Staatsarchiv Weliko Tarnowo



Последвайте ни и в Google News Showcase, за да научите най-важното от деня!

mehr aus dieser Rubrik…

Der Elija-Brunnen in Nikopol ist mit zarten Liebesversen bedeckt

Nikopol wird wegen seiner tausendjährigen Geschichte „Stadt der Jahrhunderte“ genannt. Die Stadt wurde bereits 169 n. Chr. während der Herrschaft des römischen Kaisers Marcus Aurelius besiedelt. Später benannte der byzantinische Kaiser Nikephoros II...

veröffentlicht am 24.11.24 um 11:05

Patriarchenkathedrale „Hl. Alexander Newski“ feiert ihr 100-jähriges Bestehen

Die Kathedrale wurde „als Zeichen der Dankbarkeit gegenüber dem russischen Volk für die Befreiung Bulgariens vom osmanischen Joch im Jahr 1878“ erbaut. In diesem Jahr jährt sich ihre Einweihung zum 100. Mal. Wer ist der Heilige Alexander..

veröffentlicht am 23.11.24 um 10:10

Die christliche Familie festigt die Beziehung zu Gott

Mariä Tempelgang ist eines der ältesten und meist verehrten Feste in der orthodoxen Welt. Es wurde um das 8. Jahrhundert in Konstantinopel eingeführt, zur Zeit des Patriarchen Tarasios. Erst sechs Jahrhunderte später, unter Papst Gregor XI.,..

veröffentlicht am 21.11.24 um 12:55