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Ziegel, Lehm und Nostalgie - das Dorf Mandriza und seine ungewöhnlichen Häuser

Foto: Weneta Nikolowa

Südlich von Iwajlowgrad stoßen wir auf einen der seltsamsten Orte Bulgariens - willkommen in Mandriza! Das im 17. Jahrhundert von albanischen Siedlern gegründete Dorf in den Rhodopen hat sich nicht nur die Sprache bewahrt, sondern auch die charakteristischen hohen Gebäude mit den geräumigen Salons, die man nirgendwo sonst im Lande findet. Die meisten von ihnen sind verlassen und verfallen, aber zwischen den Rissen und den verfallenen Mauern flüstert die Geschichte weiterhin Erinnerungen an eine glänzende Vergangenheit, als das einzige albanische Dorf in Bulgarien über 3.000 Einwohner, zwei Schulen, eine Ambulanz, ein Krankenhaus, ein Geburtshaus, eine Fabrik für kohlensäurehaltige Getränke usw. hatte...

In seinen goldenen Jahren war Mandriza ein führendes Zentrum für die Zucht von Seidenkokons. In den Stuben der Häuser wurden große Mengen an Seidenspinnern gezüchtet. Heute hat das Dorf nur noch 20 erwachsene Einwohner, die noch Albanisch sprechen. Zu ihnen gehört die 93-jährige Sultana:

Sultana Alexandrowa

„Wir können kein Albanisch schreiben, aber wir können es sprechen. Aber unsere Sprache ist nicht wie die der anderen. Wir können uns nicht gegenseitig verstehen. Und ja, wir haben zu Hause Albanisch gesprochen. Früher haben sie es unseren Großvätern verboten, aber sie haben trotzdem zu Hause diese Sprache gesprochen. Dann, im Sozialismus, hat uns niemand etwas verboten. Aber dann stand in unserem Pass, dass wir 'Albaner' sind. Später schrieben sie 'Bulgaren'.“

In diesem Kurzfilm lernen wir einige der interessantesten Bewohner des Dorfes Mandriza kennen:

Heute sprechen nur noch die Einwohner von Mandriza und einige bulgarische Auswanderer im gegenüberliegenden Griechenland diesen alten albanischen Dialekt, erfuhren wir vom Enkel der Großmutter Sultana - Anton Christow, der den Tourismus im Dorf seiner Vorfahren entwickelt. Zu diesem Zweck hat der junge Mann ein altes Lehmgebäude selbst restauriert und in ein Öko-Gästehaus verwandelt. Wie die anderen Gebäude in der Gegend wurde es speziell für die Zucht von Seidenspinnern gebaut:

Anton Christow

„Es gibt auch an anderen Orten Lehmhäuser, aber nicht in dieser speziellen Version. Manche sind drei Stockwerke hoch. Heutzutage ist es schwierig, so etwas zu renovieren. Das Fundament ist aus Stein, aber es ist nicht tief. Von da an sind es nur noch Holz und Lehmziegel. Aber sie werden nicht gebrannt, sondern in Formen gepresst und in der Sonne getrocknet. Es war eine Riesenarbeit. An einem Haus haben bestimmt 100 Leute gearbeitet. Auch die Balken im Inneren und das Holz wurden von Hand bearbeitet. Die Häuser sind für die Seidenspinnerzucht konzipiert, weil sie eine konstante Temperatur und eine natürliche Belüftung haben. Die Menschen lebten in einem einzigen engen Raum. Im ersten Stock befand sich normalerweise ein Stall, der zweite Stock war für die Seidenspinnerund der dritte Stock für die Menschen”, erzählte Anton Christow.

Die Stuben, in denen die Seidenspinner gehalten wurden, waren natürlich belüftet

Die Meister aus Mandriza verwendeten unterschiedliche Arten von Lehm. Für den Gips gewannen sie ihn aus den Ablagerungen des benachbarten „Weißen Flusses“ und nannten ihn „weißen Gips“.  Und für die Ziegel bauten sie den Lehm auf dem Feld ab und mischten ihn mit Steinen, um ihn fester zu machen. Und der Fußboden wurde mit Lehm und Kuhmist verputzt - die beste Isolierung gegen Kälte und Hitze, erfuhren wir von Anton Christow. Er hat die Bautechniken seiner Vorfahren beim Wiederaufbau seines Öko-Hauses angewandt. Und die Gäste bleiben bei ihm nicht zur kommerziellen Unterhaltung, sondern für einen kulturellen Dialog mit der Vergangenheit:

„Mit dem Verein „Mestra“ - das sind Architekten - machen wir Kurse für die Arbeit mit Lehm. Wir haben praktischen und theoretischen Unterricht. Sie machen die theoretischen Kurse, aber wir helfen bei der Arbeit mit Lehm. Die Kurse finden hier statt, wir bringen die Leute in diesem Haus unter, damit sie die Atmosphäre spüren können, und es wird ihnen beigebracht, wie man mit Lehm arbeitet, wie man Ziegel, Gips, Spachtelmasse usw. herstellt“, sagte noch Anton Christow.

Heute erinnern die stillen Fassaden von Mandriza an jene Jahre, als in den geräumigen Salons die Seidenspinnerherrschten und die Menschen sich mit den Ecken der oberen Stockwerke begnügten. Und während viele dieser beeindruckenden Gebäude langsam dem Zahn der Zeit zum Opfer fallen, lebt in ihren Mauern noch immer die Hoffnung, dass die Vergangenheit die Zukunft inspirieren kann.


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Zusammengestellt: Weneta Nikolowa

Übersetzung: Antonia Ilieva

Redaktion: Rossiza Radulowa

Veröffentlicht von Marta Ros



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