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Pater Paolo Cortesi: Migranten sind keine Bedrohung, sondern ein Geschenk für unsere Gesellschaften

Foto: Katholische Gemeinde - Belene

Bevor er aus dieser Welt schied, wählte Papst Franziskus das Thema „Migranten – Missionare der Hoffnung“ für den diesjährigen Welttag der Migranten und Flüchtlinge, den die katholische Welt am 29. September begeht.

Papst Franziskus auf apostolischer Reise nach Bulgarien, 2019
„Mit diesen Worten erinnert uns der Papst daran, dass Migranten die nationale Sicherheit nicht gefährden, sondern etwas Positives sind“, sagte Pater Paolo Cortesi, Pfarrer in Belene. „Sie kommen nicht, um zu rauben, sondern lassen sich von der Hoffnung leiten, etwas Gutes zu finden. Sie bringen ihre Kultur, ihren Glauben und andere Werte mit, die sie teilen können und von denen wir uns bereichern lassen. Im Zentrum dieser Botschaft steht genau das: Der Mensch, der auswandert, verdient unsere Aufmerksamkeit. Er ist keine Bedrohung, sondern ein Geschenk für unsere Gesellschaften.“

Wenn uns die Nachricht von einer weiteren Gruppe Migranten erreicht – sei es, dass sie angekommen sind oder leider ihr Leben auf dem Weg verloren haben – sollten sich die Christen an den Zug des Volkes Israel ins Gelobte Land erinnern und an den langen Weg von der Knechtschaft in die Freiheit. „Wie viele von uns machen jedoch diese Analogie?“, fragte Pater Cortesi. „Oder füllen sie ihre Seele stattdessen mit Zorn und Intoleranz gegenüber Menschen, die gekommen sind, um nach ihrem Wohlstand zu greifen? Der heilige Paulus hat uns daran erinnert, dass wir alle Migranten auf dieser Erde sind.“


„Wenn ein Mensch gezwungen ist, seine Heimat zu verlassen, ist das Erste, was ein Gläubiger empfinden sollte, Mitgefühl – denn niemand wandert fröhlich aus“, fügte er hinzu. „Mitgefühl für das Leid von Menschen, die durch Wüsten ziehen (die Sahara ist voller Knochen von Menschen, die sich auf den Weg gemacht haben), andere mit kleinen Booten mitsamt ihren Kindern im Meer ertrunken sind, wieder andere in Lagern festgehalten, geschlagen oder erschossen wurden. Gleichgültig zu bleiben oder Zorn gegen sie zu empfinden, ist eine schwere Sünde. Nach einer Tragödie auf der Insel Lampedusa sagte Papst Franziskus: ‚Das ist die Schande einer Gesellschaft, die nicht mehr weinen und dem anderen Mitgefühl entgegenbringen kann.‘ Ich hoffe, dieser Welttag weckt wenigstens ein wenig Mitgefühl in uns, damit wir nicht nur auf unsere eigenen Interessen schauen.“

Doch Mitgefühl fehle – mit wenigen Ausnahmen – und sein Platz werde von Misstrauen, Aggression und Angst eingenommen, befeuert von nationalistischen Predigern und Politikern.


„Viele der Menschen, die Hass säen, sind getauft – sie meinen, Christen zu sein, arbeiten aber in Wirklichkeit für den Teufel“, stellte Pater Cortesi klar. „Migranten und Flüchtlinge sind normale Männer, Frauen und Kinder, die Zuflucht, Arbeit, ein Zuhause, Frieden suchen. Deshalb müssen wir auf jene falschen Propheten achten, die Dummheiten verbreiten, den Verstand beiseiteschieben und die Gefühle der Menschen missbrauchen.“

Wie aber können wir unser Herz für die Vertriebenen öffnen und sie als unsere Brüder aufnehmen, da jeder Mensch auf dieser Erde das Recht auf ein würdiges Leben hat?

„Eine gute Schule wäre, mit einem Flüchtling zu sprechen und ihm zuzuhören“, antwortete Pater Cortesi. Er erinnerte daran, dass auch rund 3 Millionen Bulgaren Migranten seien, weil sie in der Heimat keine Arbeit und keine Zukunft gefunden hätten. Solche Begegnungen hätten jedoch nur dann Sinn, wenn wir unserem Nächsten offen und ohne Vorurteile begegneten.


„Es sind die Worte Jesu Christi bekannt: ‚Ich war fremd und ihr habt mich aufgenommen – tretet ins Paradies ein; ich war fremd und ihr habt die Tür verschlossen – geht in die Hölle.‘“, zitierte Pater Cortesi. „Leider höre ich bei der parlamentarischen Kontrolle im Radio die Politiker in der Volksversammlung sagen: Gegen Migranten müsse man Panzerfahrzeuge an die Grenze schicken, den Zaun verstärken, mehr Soldaten stationieren, schießen, sich verteidigen – das sei eine Bedrohung für die nationale Sicherheit. Es wäre jedoch gut, wenn wenigstens ein Politiker erklärte: Es gibt hilfsbedürftige Menschen, die an unsere Tür klopfen – schicken wir das Rote Kreuz an die Grenze, Psychologen, Lehrer, Dolmetscher, empfangen wir sie mit Brot und Salz, fragen wir, was sie brauchen, warum sie fliehen, was sie wünschen, ob sie gesundheitliche Probleme haben, ob wir ihnen helfen können. Und statt jeden Monat Millionen Euro für das Atomkraftwerk in Belene auszugeben, investieren wir lieber etwas in Zelte, Betten, Nahrung, reichen diesen Menschen ein Glas Wasser und Kleidung, helfen wir ihnen, sich in der Europäischen Union zu integrieren. Ich sehe nicht die Bedrohungen, die die Politiker schamlos verkünden, aber ich sehe, dass Bulgarien stirbt – die Bevölkerung schrumpft und mehr Bulgaren wandern aus, als Ausländer ins Land kommen.“


Eine der verbreiteten Lügen sei, so Pater Cortesi weiter, dass die meisten Migranten Muslime seien, die in Europa islamische Staaten gründen wollten. In seiner Heimat Italien seien jedoch 70 Prozent der Asylsuchenden – neben Vertretern aller Religionen – Christen, und gemeinsam könnten sie zum interreligiösen Dialog auf Grundlage geteilter Werte beitragen. Deshalb rief er auf:

Beten wir wenigstens an diesem Tag zu Gott, dass er alle auf der Reise beschütze und sie guten Menschen begegnen, die ihnen helfen, sich zu integrieren und ein würdiges Leben zu führen. Und jenen, die Migranten und Flüchtlinge fürchten, wünsche ich, dass sie dieses Gefühl überwinden und ihren Verstand mehr einsetzen.


Und auch wenn wir uns gern mit Grenzen umgeben, die Wahrheit ist: Wir alle gehören zu einer Familie, wir alle sind auf dem Weg und verweilen nur vorübergehend auf dieser Erde.“

„Verschließen wir uns nicht in unseren Festungen, fürchten wir nicht die Begegnung mit dem Anderen. Bereichern wir uns gegenseitig, helfen wir einander auf dem Weg zu unserer himmlischen Heimat“, mahnte Pater Cortesi. „Denn wie in der Bibel steht, erwartet Gott, dass Menschen aus Ost und West, Nord und Süd, aus allen Völkern und Sprachen zu ihm kommen. Wir müssen uns also daran gewöhnen, zusammenzuleben, denn im Himmel werden wir auf ewig vereint sein.“

Papst Leo XIV

Autorin: Diana Zankowa

Übersetzt und veröffentlicht von Lyubomir Kolarov

Fotos: BTA, Katholische Gemeinde - Belene, Dora Atanassowa, Archiv, BGNES



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