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Nachfrage an Arbeitsplätzen in Bulgarien ist größer als das Angebot

Es gibt einen Boom der aus dem Ausland zurückkehrenden Bulgaren, sagt der HR-Spezialist Georgi Parwanow

Foto: BTA

Es bleiben weniger als 100 Tage bis zum Beitritt Bulgariens zur Eurozone. Und das ist ein weiterer Anlass, über die Einkommen der Menschen bei uns, über unsere Wirtschaft, über ausländische Investitionen und über den Arbeitsmarkt zu sprechen, der am schnellsten auf sozioökonomische Veränderungen reagiert, noch bevor diese tatsächlich eingetreten sind.

Mit dem Gehalt der Bulgaren wird ab dem 1. Januar 2026 nichts Unerwartetes passieren: Es wird in demselben Nennwert erscheinen, nur in Euro umgerechnet, sodass es aus dieser Sicht keine Änderungen geben wird, sagen Vermittler zwischen Arbeitgebern und Arbeitssuchenden.

Ja, alle erkennen an, dass die Einkommen in unserem Land zu den niedrigsten in der EU gehören, aber Bulgarien zeichnet sich auch durch das höchste Tempo beim Lohn- und Einkommensanstieg in den letzten fünf bis sechs Jahren aus.

Ab dem 1. Januar 2026 wird es eine Anpassung des Mindestlohns geben, die sich auch auf viele andere Sozialzahlungen auswirkt – das Ministerium für Arbeit und Sozialpolitik schlägt vor, dass er auf 1.213 Lewa, also 620,20 Euro, steigt.

„Es gibt auch eine EU-Richtlinie zur Bindung des Mindestlohns an den Durchschnittslohn, an die sich Bulgarien halten muss, und das ist eine Möglichkeit, dass der Staat ebenfalls versucht, das Einkommenswachstum zu fördern“ – sagte Georgi Parwanow, Geschäftsführer eines der führenden HR-Unternehmen in Bulgarien und in Osteuropa:

Georgi Parwanow

„Solche Erhöhungen bereiten Investoren zunehmend Sorgen, und es kommt zu einem Rückgang von Investoren, die nach Bulgarien kommen. Vor allem in Branchen, in denen ein hoher Arbeitskräftebedarf besteht und Lohnerhöhungen die Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen, wie etwa in der Kabelproduktion in der Automobilindustrie oder in der Textilindustrie. Ich denke, wir haben die Schwelle zum Outsourcing erreicht, und auch dort wird ein Rückgang zu beobachten sein. Wichtig ist, dass die Arbeitsproduktivität mit dem Lohnwachstum einhergeht“, so Georgi Parwanow in einem Interview für Radio Bulgarien

Der Mindestlohn in Relation zum BIP pro Kopf ist in Bulgarien der höchste in der gesamten EU und das ist nicht erst seit kurzem so – kommentierte gegenüber dem BNR der Ökonom Wassil Welew von der Assoziation des Industriekapitals in Bulgarien. In den letzten drei Jahren ist der Mindestlohn um 55 Prozent gestiegen ist, während das BIP um 10 Prozent und die Produktivität lediglich um 5 Prozent gewachsen sind, sagte Wassil Welew und weiter:

Wassil Welew

„Unser Mindestlohn hat die Wirtschaftsentwicklung weit hinter sich gelassen, daher muss diese fehlerhafte Formel im Gesetzbuch abgeschafft werden. Unser Mindestlohn darf nicht etwas sein, wonach man strebt, er sollte von höchstens 5–6 Prozent der Beschäftigten bezogen werden. Nur von denen ohne Qualifikation und ohne Arbeitsgewohnheiten“, erklärte Wassil Welew.

Laut Daten der Arbeitsämter gibt es derzeit einen deutlichen Rückgang der offenen Stellen – unter 10.000, was für einen Markt wie unseren recht wenig ist. meint Georgi Parwanow. Er betonte, dass wir jetzt in eine nicht ganz einfache Phase des Arbeitsmarktes mit einer Reihe von Herausforderungen eintreten, die sich im Herbst und Winter auswirken werden.

„Gleichzeitig ist die Zahl derjenigen groß, die sich in der größten sozialen Plattform für Arbeitssuche registriert haben, und unter ihnen wächst die Zahl derjenigen, die aus dem Ausland zurückkehren“ – sagte Parwanow:


„Das Bild ist widersprüchlich: Gesucht werden vor allem Menschen aus dem unteren Segment: Arbeiter, Bediener, alle Arten von technischen Fachrichtungen sowie medizinisches Personal. Das andere Extrem ist das obere Segment, wo es nur sehr wenige offene Stellen für Geschäftsführer, Produktionsleiter sowie Finanz- und Marketingmanager gibt, während es für solche Positionen eine enorme Anzahl von Kandidaten gibt. Wir bewegen uns auf einen extrem dynamischen Arbeitsmarkt zu, auf dem Menschen jeden Alters ständig neue Qualifikationen erwerben, neue Berufe erlernen und buchstäblich ihr ganzes Leben lang lernen müssen. Meine Empfehlung an alle, die jetzt in den Arbeitsmarkt eintreten, ist, sich auf Fachgebiete zu konzentrieren, die in den kommenden Jahren nicht durch künstliche Intelligenz ersetzt werden. Zum Beispiel Berufe im Umgang mit Menschen, Medizin, Landwirtschaft und nicht-routinemäßige Tätigkeiten. Und Englischkenntnisse sind kein Wettbewerbsvorteil mehr, sondern werden auf dem Arbeitsmarkt als selbstverständlich angesehen“, betonte Georgi Parwanow.


Derzeit besteht in unserem Land ein großer Bedarf an Arbeitskräften in der Landwirtschaft, im Bauwesen und im Hotelgewerbe. Die gute Nachricht ist, dass es im Moment einen Boom von aus dem Ausland zurückkehrenden Bulgaren gibt. Die genaue Zahl wird am Ende des Jahres feststehen, aber Zehntausende sind dabei, nach Bulgarien zurückzukehren, so Georgi Parwanow und weiter:


„Allein bei uns gehen täglich 30 Bewerbungen von Bulgaren ein, die zurückkehren. Wir schaffen es buchstäblich nicht, alle zu bearbeiten. Aber es gibt auch eine sehr interessante Statistik, die von der Arbeitsagentur geteilt wurde: Im vergangenen Jahr haben über 10.000 bulgarische Bürger über 65 Jahre eine Vollzeitbeschäftigung gesucht.


Das ist eine hohe Zahl für Bulgarien, und sie wird weiter steigen. Die längere Verweildauer von Menschen über 55 Jahren auf dem Arbeitsmarkt ist Teil eines allgemeinen Wandels. Wir werden sehen, dass solche Menschen mit 60 und 70 Jahren eine Hochschulausbildung beginnen und ein eigenes Unternehmen gründen. Überhaupt stehen wir vor einer riesigen Veränderung, und sie betrifft nicht nur uns, sondern ist ein weltweites Phänomen. Weltweit boomt das sogenannte ‚Silber-Unternehmertums‘ (Silver Entrepreneurship) und die Zahl der neu registrierten Start-ups von Menschen über 50 Jahren nimmt zu“, sagte Georgi Parwanow abschließend.


Übersetzt und veröffentlicht von Rossiza Radulowa

Fotos: BTA, cteambulgaria.com, BGNES, Pixabay, Flughafen Sofia



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