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Wie Baugenehmigungen erteilt werden und illegales Bauen legal wird

Interview mit Ingenieur Dimitar Kumanow vom Nichtregierungsverband „Balkanka“

Foto: Archiv

Wieder eine Katastrophe – und wieder Analysen und Maßnahmen im Nachhinein seitens der zuständigen Institutionen. Die verheerende Überschwemmung im Ferienort Elenite, die vor einer Woche vier Menschen das Leben kostete, führte zu einer späten Erkenntnis des Staates: Die überfluteten Objekte – ein Hotel und ein Aquapark – wurden im Flussbett errichtet und sind illegal. Doch in den Jahren zuvor sahen die für die Baugenehmigungen zuständigen Behörden das offenbar anders – sie strichen den Fluss aus den Karten und erklärten das Gebiet, das einst öffentliches Staatseigentum war, zum privaten Grundstück.

Dimitar Kumanow

Am Ende ist das Ergebnis immerhin positiv – wenn auch um Jahre verspätet: Die im Flussbett errichteten Gebäude sollen abgerissen werden, wie der Minister für regionale Entwicklung und Städtebau Iwan Iwanow und die Direktion für nationale Baukontrolle (DNSK) zusicherten. Doch wie werden in Bulgarien überhaupt Baugenehmigungen erteilt? Ist es üblich, in Flussbetten zu bauen? Und warum können derart eklatante Verstöße überhaupt legalisiert werden?

„Durch Bestechungsgelder“, lautet die klare und knappe Antwort von Ingenieur Dimitar Kumanow vom Nichtregierungsverband „Balkanka“, der sich dem Schutz der Flüsse Bulgariens widmet.


„Ich kann nicht sagen, dass in Bulgarien alles auf Flüssen gebaut wird, aber es ist ein sehr häufiges Phänomen. Wir können feststellen, dass das illegal ist – und das verstößt ohne Zweifel gegen eine ganze Reihe gesetzlicher Bestimmungen –, aber letztlich müsste die Staatsanwaltschaft handeln und ein Gericht feststellen, dass es illegal ist. Doch das wird hierzulande einfach nicht passieren. Zu viele staatliche Stellen haben das möglich gemacht“, kommentierte er den jüngsten Fall im Schwarzmeerkurort Elenite, wo nach seinen Worten der Wassergesetz verletzt wurde. Dessen Artikel 143 verbietet ausdrücklich das Bauen in überdeckten Flussabschnitten.


„In Bulgarien gibt es zwei Arten von Korruption. Die erste ist die direkte: Der Investor verständigt sich mit dem Bürgermeister, dem Chefarchitekten oder – falls nötig – mit dem Gemeinderat. Die zweite nenne ich ‚Telefonkorruption‘ – wenn jemand von oben bei den Untergeordneten anruft, von deren Entscheidung etwas abhängt, und sagt: ‚Da kommt einer von meinen Leuten, den müsst ihr durchwinken.‘ Das ist natürlich nicht beweisbar – dort herrscht eine vollständige Omertà. Und am Ende sieht es so aus, als hätten die staatlichen und kommunalen Behörden das Bauvorhaben ganz ohne Bestechung genehmigt.“


Ein weiteres Beispiel für Nachlässigkeit oder „bewusstes Wegsehen“ sei laut Kumanow, dass in Sofia ständig Flussgräben mit Bauschutt zugeschüttet werden. Viele Flüsse in der Hauptstadt und im ganzen Land seien nicht in den Katasterkarten verzeichnet, einige verliefen sogar durch Privatgrundstücke – eine tickende Zeitbombe für künftige Probleme.

Kumanow warnte außerdem: Auch in Sofia sei es durchaus möglich, illegales Bauen auf Flussbetten zu erleben – ähnlich wie an der Schwarzmeerküste.


Zusammengefasst: Die Verantwortung verteilt sich auf zahlreiche Institutionen, die derartige Bauprojekte genehmigt haben, doch jede einzelne von ihnen trägt Schuld. Im Fall von Elenite etwa wurde zunächst staatliches Waldgebiet an einen privaten Investor übertragen, anschließend wurde im Kataster verschleiert, dass dort ein Fluss verläuft, und das Gelände als Bauland ausgewiesen. Auf dieser Grundlage wurde ein detaillierter Bebauungsplan erstellt, den die Gemeinde an die Regionale Inspektion für Wasser und Umwelt (RIOSV) weiterleitete, die ihn an die Bezirksdirektion für Wasserwirtschaft übermittelte. Nach Zustimmung all dieser Behörden wurde das Projekt genehmigt, in der Gemeinde vom Chefarchitekten unterzeichnet und schließlich die Baugenehmigung erteilt.

„Das alles“, so Kumanow, „macht es praktisch unmöglich, dass eine Person oder Institution tatsächlich Verantwortung übernimmt.“


Autor: Iwan Gergow

Übersetzt und veröffentlicht von Lyubomir Kolarov

Fotos: Archiv, BTA, BNR - Ani Petrowa, BGNES, BNR-Burgas



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