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Bulgarisch-französisches Aufklärungsprojekt unter der Roma-Bevölkerung gestartet

Das bulgarische Amt zur Bekämpfung des Menschenhandels hat in der Region Warna, an der nördlichen Schwarzmeerküste, ein umfangreiches Aufklärungsprojekt unter der Roma-Bevölkerung gestartet. Das Pilotprojekt wird mit knapp 68.000 Euro von Frankreich finanziert und soll bis Ende nächsten Jahres laufen. Warum finanziert ausgerechnet Frankreich eine solche Aufklärungskampagne unter der bulgarischen Roma-Minderheit?

Frankreich hatte im Sommer 2010 Tausende von Roma aus Rumänien und Bulgarien in ihre Heimatländer ausgewiesen. Die Begründung damals lautete, dies sei nach EU-Recht möglich, wenn jemand nach drei Monaten Aufenthalt weder einen Wohnsitz noch eine feste Arbeit nachweisen könne. Besonders brisant wurde jedoch das Vorgehen der französischen Behörden, nachdem ein Rundschreiben des französischen Innenministeriums bekannt geworden war. Darin wurden die Präfekten ausdrücklich aufgerufen, illegale Roma-Lager gezielt zu räumen. Die Europäische Kommission hatte daraufhin Frankreich wegen der massenhaften Ausweisung von Roma scharf angegriffen. Mit ihrer Abschiebepolitik diskriminiere die französische Regierung die ethnische Minderheit der Roma und verstoße gegen die europäischen Grundrechte.

© Foto: Archiv

Dem heutigen französischen Botschafter in Sofia, Philippe Autier zufolge war dies der Auslöser zahlreicher Präventionsmaßnahmen, einschließlich des Aufklärungsprojektes in der Umgebung von Warna. "Die damalige Entscheidung der französischen Regierung zur Ausweisung der Roma-Familien war sehr umstritten. Aber wie heißt es doch so schön – es hat alles sein Gutes – die damaligen Auseinandersetzungen haben unserer Öffentlichkeit geholfen, über die Problematik der Roma-Integration nachzudenken", sagt Botschafter Autier. "Mit acht Millionen Menschen stellen die Roma die größte Minderheit in Europa. Wir müssen uns in Europa vor Augen führen, dass die Integration dieser Menschen in die Gesellschaft vor Ort vorangetrieben werden muss. Wir meinen, dass die Integration in den einzelnen Ländern unterstützt werden muss. Und deshalb starten wir ein solches Aufklärungsprojekt unter den Roma in Bulgarien", sagt der französische Botschafter in Sofia Philippe Autier.

Partner bei der Arbeit mit den Roma sind das bulgarische Amt zur Bekämpfung des Menschenhandels, die Stadt Warna und einige Menschenrechtsorganisationen, die bereits Erfahrung in der Arbeit mit der Roma-Minderheit haben. Antoaneta Wassilewa vom Amt zur Bekämpfung des Menschenhandels erklärt, warum für das Aufklärungsprojekt ausgerechnet Warna und die Region ausgesucht wurden.

© Foto: BGNES

"In der Schwarzmeerregion stellen wir seit Jahren eine Konzentration von Fällen des Menschenhandels fest"
, sagt Antoaneta Wassilewa. "Leider sind die Schwarzmeerstädte Warna und Burgas auch durch eine andere traurige Besonderheit aufgefallen – hier gibt es besonders viele Fälle von schwangeren Roma-Frauen, die ihre Babys ins Ausland verkaufen. Um diese grausame Art des Menschenhandels zu bekämpfen, müssen wir vorbeugen und mit den Menschen vor Ort arbeiten. Die meisten Menschen aus der Roma-Minderheit kennen ihre Rechte nicht, insbesondere die Frauen. Deshalb wollen wir mit Vermittlern aus der Minderheit zusammenarbeiten. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, den Menschenhandel deutlich zu verringern. Wir hoffen, dass das Aufklärungsprojekt in Warna erfolgreich sein wird, so dass es auch in anderen Regionen des Landes umgesetzt werden kann", sagt Antoaneta Wassilewa vom bulgarischen Amt zur Bekämpfung des Menschenhandels.

Ein weiterer Grund, den Standort Warna für den Start des Pilotprojektes zu wählen, ist die angehäufte Erfahrung der Stadtgemeinde und der örtlichen Polizei. Konkrete Beispiele nennt der stellvertretende Bürgermeister von Warna Hristo Bosow.
"Seit 2008 gibt es in Warna das landesweit erste Aufnahmezentrum für Frauen, die Opfer des Menschenhandels geworden sind", sagt Bosow. "Dort können bis zu 16 Frauen aufgenommen werden, und ihnen stehen nicht nur Ärzte, sondern auch Psychologen zur Seite. Die Stadt Warna hat zudem ein eigenes Programm entwickelt, um dem Verkauf von ungeborenen Kindern von ihren schwangeren Müttern vorzubeugen. Diese Bemühungen haben Erfolg – 2011 gab es in Warna und der Umgebung einen einzigen Fall von Menschenhandel. Bis 2010 waren es bis zu 23 im Jahr", sagt Hristo Bosow.

Taschendiebstahl, Bettlerei, Prostitution, Babyverkauf – all diese kriminellen Handlungen sind unter den Roma oft sehr gut organisiert. Betroffen sind in erster Linie Kinder und Frauen aus den armen Roma-Vierteln. Deshalb will auch das Innenministerium durch seine Strukturen solche Projekte, wie das bulgarisch-französische Aufklärungsprojekt in Warna, auch in Zukunft unterstützen.

Übersetzung und Redaktion: Vessela Vladkova
По публикацията работи: Maria Dimitrowa


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