Es kam überraschend und unangekündigt, wie aus heiterem Himmel. Der Schachzug des Präsidenten vom Mittwoch Abend. Ein Referendum soll es geben, zu drei simplen Fragen über Wahlen in Bulgarien. Die Ansprache des Präsidenten brachte wieder Schwung ins leicht eingelullte politische Leben Bulgariens.
Der bulgarische Präsident Rossen Plewneliew schlägt drei gravierende Änderungen im Wahlgesetz vor – die Einführung der partiellen Mehrheitswahl, der allgemeinen Wahlpflicht sowie der Möglichkeit zur Online-Stimmabgabe bei Parlamentswahlen oder Referenden. Und die Begründung: Die partielle Mehrheitswahl ist die einzige Möglichkeit, die dem Wähler eingeräumt wird, seinen Volksvertreter zu bestimmen. Denn heute bekommt man bei Wahlen nichts weiter, als eine Parteiliste angeboten, in welcher man im besten Fall den an erster Stelle angeführten Politiker kennt. Die Plätze in der Parteiliste werden von der Parteizentrale nach eigenem Gutdünken vergeben. Vergeben ist das richtige Wort – wer brav war, wird nach vorn geschoben. Diese Handhabung der Wahllisten unterscheidet sich parteiübergreifend nicht. Verständlich, dass sich die Sommerproteste gegen alle Parteien richteten.
Der zweite Punkt in Plewneliews Ansprache sorgt seit den besagten Sommerprotesten immer wieder für heiße Diskussionen – die Wahlpflicht. Sie soll die Wahlbeteiligung erhöhen. Ist die Wahlpflicht aber demokratisch? Und was tun, wenn keines der Parteiprogramme einem zusagt? Überraschend war nicht nur der Vorstoß des Präsidenten mit seiner Idee für eine Volksbefragung. Überraschend war auch die Reaktion seiner Stellvertreterin Margarita Popowa. Die Vizepräsidentin kommentierte wenig begeistert die Ideen des Staatschefs. "Warum können die bulgarischen Politiker, die sog. Elite des Landes, die Wahlbeteiligung nicht mit Argumenten erhöhen und die Menschen motivieren, zu den Urnen zu gehen?", fragte sie beinah rhetorisch. "Muss es die Wahlpflicht sein? Ist die Wahlpflicht die einzige Möglichkeit, das Demokratieverständnis in Bulgarien zu festigen?", fragte Popowa weiter.
Die Wahlpflicht mag nicht gerade ein demokratisches Instrument sein, aber was läuft in Bulgarien schon demokratisch ab? Viele Menschen sind in einem so hohen Grade demotiviert, an der Demokratie teilzunehmen, dass sie wohl kaum von der Wahlpflicht begeistert sein werden. Andererseits kann es nicht sein, dass gerade mal 39 Prozent der Wahlberechtigten zur Urne gehen, dann aber zu Hause bei Schnaps und Schopska-Salat auf die Politik schimpfen. Als Bürger dieses Landes sollte man schon die eigene Verantwortung übernehmen, auch wenn sie nur alle vier Jahre zu übernehmen ist.
Der dritte Punkt des Präsidentenvorschlags, die Online-Wahl, ist noch umstrittener. In den sozialen Netzwerken meldeten sich Computerspezialisten zu Wort und alarmieren, die Online-Stimmabgabe kann nicht geheim gehalten werden, was der Verfassung widersprechen würde. Witzbolde gingen sogar weiter – jeder halbwegs gut ausgebildete IT-Freak könnte gegen entsprechendes Entgeld das gewünschte Wahlergebnis liefern. Mit der Online-Abstimmung versucht der Präsident, die Auslandsbulgaren aufzufangen. Denn bekanntlich leben inzwischen knapp 2 Millionen junge und meist gut ausgebildete Bulgaren im westlichen Ausland. Sie gehen nicht wählen, weil das arme Bulgarien sich nicht leisten kann, Wahllokale in jeder westeuropäischen, amerikanischen und kanadischen Stadt einzurichten, wohin Bulgaren ausgewandert sind. Sie sind aber grundsätzlich politisch interessiert und informiert, und würden die Zusammenstellung des Parlaments in Sofia gravierend mitbestimmen, würden sie wählen. Doch, selbst das ist in Bulgarien umstritten – diejenigen, die im Armenhaus Europas geblieben sind, zeigen auf die Auswanderer und werfen ihnen vor, das eigene Glück im Ausland gesucht zu haben, statt die Ärmeln hochzukrempeln und die Heimat aufzubauen. Stoff für Diskussionen ist also da. Bis zu den Europawahlen, wenn das Referendum stattfinden soll, wenn überhaupt, bleibt allerdings nicht viel Zeit.Der Wahltag verläuft in Duisburg ruhig. Es wird erwartet, dass dort, wie bei den letzten Wahlen, zwischen 300 und 400 Menschen ihre Stimme abgeben werden. Sie können das nur mit Papierstimmzetteln tun. „Bei früheren Wahlen gab es organisierte..
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