Dieser Tage wurde die Liste der zehn meist gesuchten Berufe in Bulgarien veröffentlicht. Die Liste wirft viele Fragen auf und offenbart die Lage und Perspektiven der bulgarischen Wirtschaft.
Das Hauptfazit ist, auf dem Arbeitsmarkt mangelt es an Fachkräften, trotz Arbeitslosenquote von acht Prozent. Diese Tatsache ist nicht neu und wird von den Autoren der Studie lediglich untermauert. Bestimmte Berufe verzeichnen jedoch eine rege Nachfrage. Am meisten gesucht werden technische Berufe. Sie machen 50 Prozent der Top10 Berufe aus. Das ist auf den ersten Blick nichts Ungewöhnliches. Immerhin leben wir im Zeitalter der Technologien und Innovationen, der Roboter und Computer. Besorgniserregend ist jedoch die Tatsache, dass in dieser Kategorie vor allem Hilfsarbeiter, Fahrer, Hotel- und Gaststättenpersonal, Maschinenführer und erst an letzter Stelle Informatiker gesucht werden. Mit Ausnahme Letzterer handelt es sich bei den anderen um gering qualifizierte Arbeitskräfte mit elementaren Fähigkeiten und Kompetenzen, mit ausgesprochen begrenztem Innovationspotential, mit niedrigem Sozialstatus. Genau das ist aber in der bulgarischen Wirtschaft gefragt, d.h. die Volkswirtschaft liegt auf der gleichen Ebene – geringe Arbeitsproduktivität, ein geringes Maß an Technologien und Innovationen und schwache Wettbewerbsfähigkeit.
Es gibt aber auch Positives zu vermelden. Denn in den Top10 der gesuchtesten Berufe finden sich zudem Ingenieure, Ärzte und Manager, Buchhalter und Finanzexperten, die der Mittelschicht angehören. Namentlich sie sorgen für Qualität und Mehrwert.
Ein weiterer Fakt verdient es, genannt zu werden. Die Rangliste gilt für das laufende Jahr, unterscheidet sich aber nicht wesentlich von der vorjährigen Ausgabe. Und genau das bereitet uns Sorgen.
Derzeit machen Akademiker rund 23 Prozent der Bevölkerung aus. In entwickelten Ländern mit fortgeschrittener und Hochtechnologiewirtschaft liegt dieser Anteil bei über 36 Prozent. In diesem Zusammenhang stimmen die Trends am Arbeitsmarkt pessimistisch, zumal die Zahl der Studenten seit einiger Zeit permanent schrumpft. Hinzu kommen die dieser Tage veröffentlichten skandalösen Fakten über die Bezahlung der bulgarischen Intelligenz in Wissenschaft und Forschung, die deutlich machen, welchen Stellenwert Gesellschaft und Regierung dieser Intelligenz in der Gegenwart und Zukunft unseres Landes beimessen. An der renommierten Bulgarischen Akademie der Wissenschaften bezieht ein Professor ein Gehalt von 450 Euro, wogegen eine Sekretärin in der staatlichen Verwaltung ohne besondere Ausbildung mit 330 Euro nach Hause geht. Wie will man da junge Wissenschaftler in die Forschungseinrichtungen des Landes holen, um Innovationstechnologien und Methoden für Industrie, Handel, Verkehr, Landwirtschaft, Fernmeldewesen etc. zu entwickeln? Von einem Top10-Platz in der Liste der meist nachgefragten Berufe ganz zu schweigen.
Oft ist davon die Rede, Bulgarien könne einzig und allein auf sein Humankapital und seine schöne Natur bauen. Die Natur erfreut das Auge und bringt Touristen. Das allein ist für die Prosperität eines Volkes jedoch zu wenig. Der richtige Weg dahin ist intelligentes Wachstum. Das ist jedoch nur mit Fahrern, Kellnern und Hilfsarbeitern nicht zu bewerkstelligen. Letztere finden in entwickelten Ländern ein breites Betätigungsfeld, da sie schlecht bezahlte Arbeit verrichten, die dort niemand mehr machen will. Da braucht man sich auch nicht wundern, dass dieser Tage ein Bulgare als bester Taxifahrer von Chicago ausgezeichnet wurde und eine Bulgarin zu den besten zehn Maniküristinnen der Vereinigten Staaten zählt.
Übersetzung: Christine Christov
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