Die „Colonia Flavia Pacis Deultensium“, kurz Deultum genannt, ist die wohl älteste Kolonie des Römischen Reiches auf heute bulgarischem Boden. Gegründet wurde sie zu Beginn der 70er Jahre des 1. nachchristlichen Jahrhunderts als Veteranenkolonie in der Provinz Thracia. Sie liegt in der Nähe des Dorfes Debelt, unmittelbar an der Mündung des Sredetzka-Flusses in die Bucht von Burgas am Schwarzen Meer. Die Überreste dieser antiken Siedlung wurden in ein Reservat „Deultum-Debelt“ verwandelt. Krassimira Kostowa, Direktorin dieses Reservats erzählte uns mehr über die Geschichte und Bedeutung der Siedlung.
„Die Kolonie besaß eine rein strategische Bedeutung und diente als navigatorische Verbindung zwischen dem Donau- und dem kleinasiatischen Limes“, sagt die Archäologin. „Ihre Gründung steht in enger Beziehung mit den Veteranen der „Legio VIII Augusta“, denen man in der Nähe des heutigen Dorfes Debelt Boden gegeben hat.“
Die Veteranen genossen einen hohen gesellschaftlichen Status und waren von Direktsteuern befreit. Die Kolonie war einzig dem Kaiser in Rom unterstellt. Damit unterschied sich Deultum von allen anderen römischen Städten der Provinz Thrakien. Man geht davon aus, dass die Wahl für den Ort, an dem die Kolonie aufgebaut wurde, nicht zufällig war und man vordem nach einem geeigneten Platz gesucht hat. Zuerst wurden die zwei sich in ihrer Mitte kreuzenden Hauptstraßen angelegt – Decumanus Maximus mit Ost-West-Ausrichtung und Cardo Maximus mit Nord-Süd-Ausrichtung. An den vier Enden dieser Hauptstraßen wurden die Tore der Kolonie gebaut, die einen städtischen Charakter besaß und über ein gutes Kanalisationsnetz verfügte.
„Die Kolonie erlebte einen schnellen Aufstieg und hatte in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts und dem Beginn des 3. Jahrhunderts ihre Blütezeit. In jener Zeit prägte sie eigene Münzen“, unterstreicht Krassimira Kostowa.
Unter den gut erforschten Objekten der Ruinenstadt sind die Thermen, die im Alltag der Römer eine große Bedeutung hatten:
„Es handelt sich um ein enorm großes öffentliches Gebäude, das ganze zwei Stadtviertel einnimmt. Die Thermen sind eine ausgesprochen interessante Einrichtung, da in ihnen das soziale Leben der Kolonie vor sich ging“, erzählt die Archäologin. „Die Thermen waren keine reine Badeanstalt, sondern auch ein Ort für Treffen, Würfelspielen und anderen Freizeitbeschäftigungen. Am Vormittag wurden die Bäder von den Frauen besucht und am Nachmittag von den Männern.“
Neben den Thermen hat auch ein anderes großes Gebäude das Interesse der Archäologen auf sich gezogen, in dem der Kopf einer Statue des Kaisers Septimius Severus entdeckt wurde. Offensichtlich hat man sein Standbild anlässlich seines Besuches in der Kolonie im Jahre 195 aufgestellt. Es wird vermutet, dass auch andere hochrangige Persönlichkeiten Deultum besucht haben, darunter die Familie des Kaisers Philippus Arabs. „Im gleichen Gebäude wurde die Basis einer Bronzestatue ausgegraben, auf der eine Widmung an diesen Kaiser, seinen Sohn und seine Gattin angebracht ist“, bestätigt Krassimira Kostowa.
Deultum existierte auch in spätrömischer Zeit weiter und entwickelte sich als Bischofssitz, auf den das heutige Titularbistum Deultum zurückgeht. Im 4. Jahrhundert war es in der byzantinischen Provinz Haemimontus die drittgrößte Stadt. Nach einer Reihe von Überfällen der Goten und später der Hunnen wurde in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts eine neue Festungsmauer errichtet. Die Einwohnerzahl, wie auch die Größe der Stadt selbst schrumpften.
Auf dem Gelände, das 1988 zu einem archäologischen Reservat erklärt wurde, können verschiedene interessante Objekte entdeckt werden:
„Hier kann man den großen bulgarisch-byzantinischen Grenzwall, bekannt heute als Erkesija, bewundern, den Khan Krum im Jahre 812 anlegen ließ. Bei der Unterzeichnung des Friedensvertrages zwischen Bulgarien und Byzanz, was während der Herrschaft von Khan Omurtag geschah, wurde eine Grenzkorrektur vorgenommen und es entstanden südlich des Flusses eine mittelalterliche byzantinische Zollstation und daneben eine Kirche. Heute ist nur sie in den Grundmauern erhalten, in der einst das Archiv des Zollamts aufbewahrt wurde. An dieser Stelle sollte daran erinnert werden, dass das bulgarische Reich zu jener Zeit eine große Ausdehnung hatte; zum Beispiel: das heutige Budapest war eine bulgarische Stadt. Es besteht die Vermutung, dass in der mittelalterlichen Kirche im Jahre 864 Fürst Boris I. Michael seine Taufe erhalten hat.“
Im archäologischen Reservat können die Besucher die Ruinen der frühbyzantinischen Festung sehen, in die Deultum im 9. und 10. Jahrhundert verwandelt wurde. In der Stadt wurde eine bulgarische Garnison untergebracht, während sich die Byzantiner laut dem Vertrag zwischen beiden Reichen in eine kleine Festung südlich des Flusses zurückzogen. Deultum (mit bulgarischen Namen Debelt) existierte bis zum Ende des 13. Jahrhunderts, änderte jedoch seinen Standort. Nachdem die Osmanen die Balkanhalbinsel eroberten, wurde aus der einstigen Stadt ein Agrardorf. Erst 1881 entdeckten die Gebrüder Škorpil, die den Grundstein der modernen Archäologie in Bulgarien setzten, die Überreste der antiken Stadt.
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
Fotos: Privatarchiv
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