Der kalte Süden Argentiniens, so wird das geografische Gebiet Patagoniens und die Gebiete genannt, die dem Südpol Lateinamerikas am nächsten sind. Die Hafenstadt Comodoro Rivadavia liegt an der windigen Küste des Atlantischen Ozeans, die seit Anfang des 20. Jahrhunderts auch für ihre entwickelte Ölindustrie bekannt ist. Damals, von der Weltwirtschaftskrise angetrieben, siedelten sich hier Auswanderer aus aller Welt an, darunter auch eine zahlreiche Gemeinschaft aus Bulgarien. Unter ihnen war auch der Großvater von Zenka Genowa, der Vorsitzenden des Vereins „Kyrill und Method“ in der Stadt. Die Frau entschuldigt sich für ihr schlechtes Bulgarisch, aber der Grund dafür sei, dass sie erst zwei Jahre alt war, als ihre Eltern vor 66 Jahren das damals sozialistische Bulgarien verlassen haben, um sich in Argentinien bei dem Großvater niederzulassen.
Heute leben über 2.000 Bulgaren im Gebiet der Hafenstadt. Es sind die Nachkommen der bulgarischen Auswanderer oder Kinder aus Mischehen, die eine bulgarische Identität haben.
Die meisten unserer Landsleute in Comodoro Rivadavia sind in der Ölindustrie beschäftigt. Aber es gibt auch Ausnahmen wie beispielsweise Zenka Genowa. Sie ist Ärztin im Ruhestand mit 35 Jahren Berufserfahrung in einem staatlichen Krankenhaus. Sie erzählt, dass der bulgarische Verein in der Stadt „Kyrill und Method“ vor 33 Jahren gegründet wurde und etwa 80 aktive Mitglieder hat. Der Verein feiert alle wichtigen bulgarischen Feiertage zusammen.
Anfang März versammeln sich seine Mitglieder, um den Tag der Befreiung Bulgariens von der osmanischen Fremdherrschaft zu begehen, am 1. März stecken sie sich Martenizi an, die rot-weißen Quasten, die den Frühling ankündigen, obwohl in Argentinien um diese Jahreszeit Herbst ist. Gefeiert wird auch der 24. Mai, der Tag der bulgarischen Kultur und Schrifttums. Die Frauen sind eifrig dabei, auf kulinarische Festivals, die jeden Monat stattfinden, die bulgarische Küche zu popularisieren. Sie zeigen wie Baniza, Wickel aus Sauerkraut und andere typisch bulgarische Gerichte zubereitet werden.
In Comodoro Rivadavia erklingt auch bulgarische Volksmusik. Jede Woche kommen junge Leute zusammen, um bulgarische Volkstänze einzuüben, die ihnen von ihren Eltern gezeigt werden. In den meisten Fällen sehen sie sich die richtigen Schritte auf YouTube an. Die Volkstrachten, mit Ausnahme von wenigen Kostümen, die von der bulgarischen Botschaft geschenkt wurden, nähen die Enthusiasten selbst. Es gibt auch eine Gesangsgruppe, Orpheus, und eine Musikgruppe, in der Jugendliche lernen, Gajda (Sackpfeife) und Hirtenflöte zu spielen.
„Vor einem Monat haben wir eine Gadulka bekommen und jetzt wird auch dieses für den Balkan typische Streichinstrument erlernt“, berichtet Zenka Genowa. Auf die Frage, was Bulgaren und Argentinier gemeinsam haben und worin sie sich unterscheiden, antwortet sie, dass ihnen die Wärme und Herzlichkeit gemeinsam ist. Die Bulgaren seien aber fleißiger, findet sie.
„Wir Bulgaren sind von Hause aus gewohnt, zu arbeiten. Das haben uns unsere Eltern beigebracht. Nicht zu arbeiten, ist für uns nicht normal. Hier in Patagonien ist das Klima sehr rau. Trotzdem haben fast alle von uns einen Garten und bauen Tomaten, Paprika und anderes Gemüse an. Einige züchten sogar echtes bulgarisches Bohnenkraut.“
Übersetzung: Georgetta Janewa
Fotos: Verband „Kyrill und Method“ in Comodoro Rivadavia
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