In Bulgarien gibt es ca. 2 Millionen Beschäftigte. Genauso viele, wenn nicht sogar mehr, verdienen sich ihren Lebensunterhalt im Ausland. Das hat sowohl positive als auch negative Folgen für die heimische Wirtschaft.
Positiv ist, dass jene, die keine passende Arbeit in Bulgarien finden, sich auswärts verwirklichen können. Das senkt die Zahl der Arbeitslosen im Land. Anstatt Arbeitslosengeld vom Staat zu erhalten, überweisen sie recht beachtliche Summen an ihre Angehörigen in der Heimat und haben sich somit zum größten Auslandsinvestor etabliert. Positiv ist, dass sie während ihres Aufenthalts in wirtschaftlich und technologisch fortgeschrittenen Ländern ihre Qualifikation steigern, sich kulturell bereichern und sich in diese besser entwickelten Gesellschaften mehr oder weniger integrieren können. Positiv ist auch, dass sie auch fern von der Heimat ihre nationale Identität nicht verlieren, die bulgarischen Bräuche und Traditionen pflegen und an ihrem Glauben festhalten. Der Großteil unserer Landsleute übt im Ausland eher niedrigqualifizierte Arbeiten aus, gefolgt von technischen Facharbeitern und von Topexperten wie beispielsweise Ärzten, Ingenieuren, Managern, Wissenschaftlern und Unternehmern. Mit anderen Worten – die Bulgaren verrichten im Ausland niedrig bezahlte Arbeiten, die in der Regel keine besondere Qualifikation oder Fähigkeiten voraussetzen und von örtlichen Arbeitnehmern gemieden werden. Die großen Unterschiede im Lebensstandard in diesen entwickelten Ländern und Bulgarien sind dort aber selbst solche Jobs bei weitem besser bezahlt als man sich hierzulande je erträumen könnte.
Man könnte mit den positiven Aspekten der Abwanderung fortfahren. Momentan rücken aber die negativen Folgen der Wirtschaftsmigration in den Vordergrund, denn unser Land verliert nicht nur hochqualifizierte Kader, sondern auch Facharbeiter jeden Rangs.
Zwei Erhebungen über die Lage auf dem bulgarischen Arbeitsmarkt, die unlängst veröffentlicht wurden, belegen unmissverständlich, dass bereits 70 Prozent der Arbeitgeber in Bulgarien Probleme haben, Facharbeiter zu finden. Es mangelt auf dem heimischen Arbeitsmarkt an Technikern, Fahrern, Buchhaltern, und Hotelpersonal - aus dem einfachen Grund, dass sie alle bereits im Ausland sind. Dabei sollten wir auch nicht vergessen, die Ärzte zu erwähnen. In den letzten Jahren machen 60 Prozent der angehenden Mediziner keinen Hehl daraus, dass sie die Absicht haben, Bulgarien zu verlassen, sobald sie das Studium abgeschlossen haben und ihr Diplom in den Händen halten.
Besorgniserregend ist auch die demographische Krise, die mit der Arbeitsmigration Hand in Hand geht. Die bulgarische Bevölkerung schrumpft und altert in rasantem Tempo. Die Geburtenraten fallen von Jahr zu Jahr. Die jungen Leute im geburtenfähigen Alter wandern aus. Bulgarien mutiert zum Land alter und kranker Menschen, deren Renten aber jemand erarbeiten und um die sich jemand kümmern muss. Ein Erwerbstätiger erarbeitet die Renten von anderthalb Rentnern. Diese Renten sind buchstäblich miserabel und erniedrigend, reichen nicht einmal für die Medikamente der kranken Senioren aus, doch wird sich die Lage künftig noch mehr verschlechtern.
Es gibt etliche EU-Länder, die sich vor Jahren vor ähnliche Probleme gestellt sahen wie Bulgarien – beispielsweise Italien, Spanien, Portugal und Griechenland. Heutzutage schaffen sie es, Arbeitskräfte heranzuziehen, darunter auch aus Bulgarien. Wie ist es zu dieser radikalen Transformation gekommen? Es gibt bekanntlich keine universellen Rezepte. Fest steht aber, dass ohne ein auf jede erdenkliche Art von den Behörden stimuliertes Wirtschaftswachstum keine Ergebnisse erzielt werden können. Heute stehen die Dinge auf jeden Fall besser als früher, denn die Europäische Union ist erstarkt und verfügt über zuverlässige Instrumente, um regionales Wachstum zu fördern und Disproportionen ausgleichen zu können. Schließlich sind die Kohäsionsfonds ja dafür da.
Übersetzung: Rossiza Radulowa
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