Wenn wir etwas über Güte, Menschenliebe und Anteilnahme erfahren, denken wir oftan die Zeit, in der die "alten" Bulgaren gelebt haben. Je mehr wir unseren Verstand und unser Herz für die Vergangenheit öffnen, desto mehr säen wir die Hoffnung, dass die Tugenden und Werte ihrer Zeit nicht verloren sind und wir sie heute wieder aufleben lassen können.
Pentscho Semow gehört zu jenen Bulgaren, die mit viel Enthusiasmus, Unternehmergeist und Herz ihre befreite Heimat und eine moderne Industrie aufzubauen begannen. Der 1873 im Dorf Zwjatkowzi bei Gabrowo geborene Unternehmer erhielt seine Ausbildung im Ausland. Sein wacher Geist, sein Bestreben nach Wissen und sein Mut, auch die kühnsten Ideen umzusetzen, verwandelten ihn in jenen Industriellen, den die Journalisten als „den bulgarischen Rockefeller“ bezeichnen.
Pentscho Semow besaß Aktien in 28 Unternehmen und Fabriken, war im Verwaltungsrat von vier Banken und zwei Versicherungsgesellschaften.
„Er hat nur die 4. Klasse abgeschlossen, doch er war lange Zeit mit seinem Vater als Kaufmann unterwegs“, erzählt Krassimira Tscholakowa, Autorin der Autobiografie des Industriellen.
„Sein Vater hatte ein Handelsbüro in Tutrakan und ließ ihn als 14-jährigen das Familiengeschäft allein leiten. Pentscho Semow lernte das Handwerk von den anderen Geschäftsleuten und tauschte seine ländliche grobe Kleidung durch eine moderne europäische aus. Diese Veränderung wirkte sich später nicht nur auf das moderne Antlitz von Gabrowo sondern auf das ganze Land aus.“
Pentscho Semow kümmerte sich um seine Arbeiter und Angestellten als wären sie seine Kinder. Er baute für sie Häuser, bezahlte die Bildung ihrer Kinder. Ihre Versuche, die Kredite wieder zurückzuzahlen, wendete er mit den Worten ab „Wenn Gott euch gibt, dann gebt es mir zurück“.
„Die Kirche und die in seinem jungen Leben erlebte Tragödie animierten ihn zur Wohltätigkeit. In jungen Jahren heiratete er Aniza Gadewa aus Gabrowo, doch sie und ihre beiden Kinder starben an Tuberkulose“, erzählt Krassimira Tscholakowa.
„Pentscho Semow spendete 300 000 goldene Lewa für Lobbyarbeit damit die Ansprüche an Bulgarien, die im Vertrag von Neuilly festgelegt wurden, gemindert werden können. 2,5 Mio. Lewa (1,25 Mio. Euro) gab er Klöstern und Kirchen, gründete in der Bibliothek von Gabrowo auf seinen Namen Fundus mit Literatur über die neuesten Forschungen im Bereich der Medizin und Technik. Auch für die Bildung hatte Penscho Semow viel übrig. Er finanzierte die Ausbildung der Schüler am College „Heiliger Augustinus“ in Plowdiw, am Aprilow-Gymnasium und den Schulen in Warna“, erzählt Krassimira Tscholakowa weiter und fügt hinzu, dass es nicht viele Bulgaren gab, die die bulgarische Kultur gefördert haben.
„Er hat die Bildhauer Kiril Todorow, der das Denkmal von Wassil Aprilow in Gabrowo geschaffen hat und Josif Schkwara, den Meister der Altarwand aus Marmor für die geistliche Gemeinde in Gabrowo unterstützt, seine Villa dem Journalistenverband vermacht und das erste Heim für Obdachlose in Sofia gegründet.“
Der Wohltäter baute für seine Angestellten ein Altenpflegeheim. Für seine Versorgung ließ er eine seiner Fabriken arbeiten. Die Hälfte seines Vermögens überließ er für wohltätige Zwecke.
Der 9. September 1944 wütete wie ein Sturm über sein Leben und Werk und machte all seinen Lebenssinn nieder. Der Staat enteignete seine Fabriken und den gesamten Besitz im Wert von 1,9 Mrd. Lewa und schickte seine besten Fachkräfte ins Konzentrationslager. Zu seinem Trost musste Pentscho Semow nicht miterleben wie aus seinen Händen nicht nur das Materielle, sondern sein gesamtes Lebenswerk entrissen wurde. Sein irdisches Dasein fasste der Industrielle handschriftlich folgendermaßen zusammen:
„Ich bin arm gekommen und habe ein Leben lang geschaffen, gekämpft und gesiegt. Mein Werk ist sichtbar. Ich war Lehrer, ohne Pädagoge zu sein. Ich bin reich, ohne Egoist zu sein. Ich bin sozial, ohne Sozialist zu sein. Ich habe inspiriert gearbeitet, ohne Dichter zu sein.“
Pentscho Semow hat es geliebt, Gäste im wunderschönen Park seiner Villa zu begrüßen. Beim Brunnen, an dem seine Devise „Liebe, Arbeit und Beständigkeit“ eingemeißelt war, spendierte er ihnen gern Lokum in den Farben der Nationalflagge, damit sie nicht vergessen sollten, dass sie Bulgaren sind.
Übersetzung: Georgetta Janewa
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