Am dritten Weihnachtsfeiertag, am 27. Dezember, ehren die orthodoxen Christen den heiligen Stephanus. Als Erzdiakon erlitt er im Namen des Herrn Jesus Christus als erster Christ den Märtyrertod und wird daher auch Erzmärtyrer oder Protomärtyrer genannt.
Einzelheiten über das Leben und Wirken des heiligen Stephanus erfahren wir vor allem aus der Apostelgeschichte des Lukas, die unmittelbar dessen Evangelium folgt. Stephanus ist einer der sieben Erzdiakone, die direkt von den Aposteln die Lehre Christi erfuhren. Er wirkte daraufhin als Bußprediger und sprach mit seinen Mitmenschen über Christus. Es werden ihm auch Wunder nachgesagt, so solle er kranke Menschen allein durch die Berührung mit seinen Händen geheilt haben. Da die jüdischen Ältesten sahen, dass immer mehr Menschen zur neuen Lehre übergingen, legten sie über Stephanus falsch Zeugnis ab und brachten die Massen gegen ihn auf. Man zitierte ihn vor den Hohen Rat, der ihn anklagte, offen die neue Lehre Christi zu predigen. Stephanus verteidigte sich in einer langen Rede, in der er von der Geschichte Israels und der Ablehnung der alten Propheten ausging und seinen Anklägern vor Augen führte, dass sie selbst auf der Anklagebank sitzen und die gleichen Fehler begehen, die bereits ihre Väter begangen hatten. Das brachte den Hohen Rat auf, man führte Stephanus vor die Tore der Stadt, wo er gesteinigt wurde. Die ganze Zeit über betete Stephanus, Christus möge sich seiner Seele erbarmen. Laut betete er: „Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an.“ Er wollte, dass Gott seinen Gegnern vergab; auf diese Weise folgte Stephanus dem Vorbild Jesu. „Herr, nimm meinen Geist auf!“, waren seine letzten Worte bevor er starb. Damit wurde Stephanus zum Erstmärtyrer der christlichen Kirche. Die Überlieferung weiß zu berichten, dass die Gottesmutter, die der Steinigung beiwohnte, für den heiligen Stephanus gebetet hätte. Inmitten der Menschenmasse, die gegen das Christentum grölte, war ferner ein junger Mann namens Saulus, der später selbst zum Christentum überging und als Apostel Paulus in die Kirchengeschichte eingegangen ist.
Im Troparion, gewidmet dem heiligen Stephanus, heißt es:
„Mit guter Tat gingst du vor, erster Märtyrer und Apostel,
du, der du gesteinigt wurdest von gesetzloser Hand.
Kranz der Rechten Gottes nahmst du im Gebet dein Ende an,
vergabst der Feinde Tat: „Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an.“
Eine der berühmtesten bulgarischen Kirchen, die dem heiligen Stephanus geweiht sind, ist die sogenannte „Eiserne Kirche“ in Istanbul. Die Stephanus-Kirche ist eng mit den Bestrebungen der Bulgaren um eine eigenständige Kirche verbunden, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts einsetzten, lange bevor das Land von der osmanischen Fremdherrschaft befreit wurde. Die Kirche selbst stellt eine geräumige dreischiffige Basilika mit Querschiff dar, die Ende des 19. Jahrhunderts errichtet wurde, als die bulgarische Gemeinde in Istanbul noch rund 50.000 Mitglieder hatte. Der Bau besteht aus Eisengussteilen und besitzt einen 40 Meter hohen Glockenturm. Die Kirchenweihe nahm Exarch Joseph I. am Tage der Geburt der Gottesmutter am 8. September 1898 vor. Die Kirche gehört heute zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt und wurde vor rund 5 Jahren großzügig renoviert.
Es gibt keine besonderen Rituale in den Folkloretraditionen, die dem Stephanus-Tag vollführt werden; zumindest haben die ersten bulgarischen Ethnographen in den Werken, die bis heute als Quelle für die Erforschung des bulgarischen Brauchtums dienen, keine erwähnt.
Laut Volkskalender wird der heilige Stephanus mit einer Festtafel geehrt, auf der Schweinefleisch mit Sauerkraut sowie das traditionelle Blätterteiggebäck – die Banitza, aufgetischt werden. Es ist an diesem Tag Brauch, dass die jüngeren Menschen ihre älteren Verwandten, wie auch die Trauzeugen und Taufpaten besuchen. An diesem Tag feiern natürlich besonders jene unter den Bulgaren, die auf den Namen des heiligen Stephanus getauft sind.
Mit dem Stephanus-Tag gehen traditionell die Weihnachtsfeste zu Ende. Sie mögen allen Frieden und den Segen Gottes bescheren!
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